Full text: Die Verfassung und Verwaltung im Deutschen Reiche und Preußen. Zweiter Band. Preußen. (2)

§ 150. Die gegenwärtige Stellung d. preuß. Staates zu den Kirchen 2c. 557 
verpflichtenden schriftlichen Willenserklärung des Kirchenvorstandes bedarf 
es der Unterschrift des Vorsitzenden und noch zweier Mitglieder des 
Kirchenvorstandes, sowie der Beidrückung des Amtssiegels (§ 19). 
Die Beschlüsse des Kirchenvorstandes bedürfen der Zustimmung der 
Gemeindevertretung, welche neben dem Kirchenvorstande besteht, und 
deren Zahl drei Mal so groß sein soll, wie die der gewählten Kirchen- 
vorsteher (820), desgleichen bei dem Erwerb, der Veräußerungoder dinglichen 
Belastung von Grundeigentum, Vermietung und Verpachtung auf länger 
als 10 Jahre, bei Veräußerung von Gegenständen von wissenschaft- 
lichem, geschichtlichem oder Kunstwert, bei Anleihen, Anstellung von 
Prozessen, Neubauten oder erheblichen Reparaturen an Baulichkeiten, 
bei Festsetzung von Umlagen, Einführung oder Veränderung von 
Gebührentaxen, bei Feststellung des Etats und der Voranschlagsperiode, 
Abnahme der Jahresrechnung und Erteilung der Decharge. In vor- 
stehend gedachten Fällen bedürfen die Beschlüsse des Kirchenvorstandes 
und der Gemeindevertretung zu ihrer Gültigkeit der Genehmigung der 
staatlichen Aussichtsbehörde. Macht die vorgesetzte Kirchenbehörde von 
den ihr gesetzlich zustehenden Rechten der Aufsicht oder Einwilligung 
zu bestimmten Handlungen der Verwaltung keinen Gebrauch, so ist sie 
zur Ausübung derselben von der staatlichen Aufsichtsbehörde aufzufordern. 
Leistet sie dieser Aufforderung binnen 30 Tagen keine Folge, so geht 
die Ausübung der Befugnisse auf die staatliche Aufssichtsbehörde über 
(§ 48). Gegen Verfügungen der vorgesetzten Kirchenbehörde, durch 
welche die Einwilligung zu bestimmten Handlungen der Verwaltung 
versagt wird, steht dem Kirchenvorstande die Berufung an den Ober- 
präsidenten zu, welcher endgültig entscheidet (§ 49). Durch Gesetz 
vom 29. Mai 1903 (GS. S. 179) ist die Bildung von Gesamt- 
verbänden durch die bischöfliche Behörde geregelt. Die beteiligten 
Kirchengemeinden haben dabei mitzuwirken. Vorstehende Aussichts- 
rechte des Staates werden nach der Verordnung vom 30. Januar 1893 
(GS. S. 13) ausgeübt bei dem Erwerb, der Veräußerung oder der 
dinglichen Belastung von Grundeigentum, wenn der Wert des zu er- 
werbenden oder zu veräußernden Gegenstandes, oder wenn der Betrag 
der Belastung die Summe von 100000 Mark übersteigt, bei der 
Veräußerung von Antiquitäten, bei dem Bau neuer, für den Gottes- 
dienst bestimmter Gebäude von dem Minister der geistlichen Angelegen- 
heiten, in den übrigen Fällen (§§ 50 Nr. 2—6, 8, 9, 48, 51—54) 
von dem Regierungspräsidenten mit Ausnahme des Falls, wo die 
Ausschreibung, Veranstaltung und Abhaltung von Sammlungen, 
Kollekten r2c. für kirchliche, wohltätige oder Schulzwecke außerhalb der 
Kirchengebäude in Frage kommen. Hierfür hat der Oberpräsident das 
Aussichtsrecht. Gegen die Verfügungen des Oberpräsidenten ist in dem 
letztgedachten Falle die Beschwerde an die Minister der geistlichen An- 
gelegenheiten und des Innern gegeben, während gegen die Verfügungen 
des Regierungspräsidenten die Beschwerde an den Oberpräsidenten zu- 
lässig ist, welcher endgültig entscheidet (Art. I u. II der Verordn.). 
Das Gesetz vom 20. Juni 1875 enthält u. a. noch nähere Vor- 
schriften über die Wahl der Kirchenvorsteher und der Gemeindevertreter 
  
  
  
  
 
	        
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