Full text: Die Verfassung und Verwaltung im Deutschen Reiche und Preußen. Zweiter Band. Preußen. (2)

560 5. Buch. Die materielle Staatsverwaltung. 
Besondere Bestimmungen sind in Preußen über die Verwaltung 
erledigter katholischer Bistümer getroffen worden. Ursprüng- 
lich erging das Gesetz vom 20. Mai 1874 (GS. S. 135), wo Vor- 
sorge getroffen wurde für die Verwaltung katholischer Bistümer für 
den Fall der Erledigung nach Kirchenrecht (§ 1—4) und sodann für 
den Fall der Erledigung durch gerichtliches Erkenntnis (§§ 4—19). 
Die letztgedachten Bestimmungen (§ 4—19) sind jedoch durch Art. 6 
des Gesetzes vom 29. April 1887 (GS. S. 127) wieder aufgehoben. 
Nach dem Gesetz vom 20. Mai 1874 gingen die Verwaltungsbefugnisse 
des Bischofs in beiden Fällen, falls nicht die Wahl eines staatlich aner- 
kannten Bischofs oder eines Bistumsverwesers in bestimmter Frist zu- 
stande kommt, auf einen vom Minister der geistlichen Angelegenheiten 
zu bestellenden Kommissarius über, dessen Befugnisse in dem genannten 
Gesetze, sowie in dem Gesetze vom 13. Februar 1878 (GS. S. 87) 
näher geregelt sind. Jetzt ist regelmäßig bei jeder Erledigung ein 
Bistumsverweser (Kapitelsvikar) zu wählen (§ 6), diesem, nicht dem 
Domkapitel, steht die Verwaltung zu. 
Die Entwicklung und gegenwärtige Rechtslage der 
Orden, Klöster, Dom= und anderer Stifte in Preußen. 
Durch Edikt vom 30. Oktober 1810 (GS. S. 32) wurden für den 
damaligen Umfang der preußischen Monarchie alle katholischen und 
protestantischen Klöster, mit Ausnahme derjenigen Klöster, welche sich 
mit der Erziehung der Jugend und Krankenpflege beschäftigten, Dom- 
und andere Stifte, Balleien, Kommenden zu Staatsgütern erklärt, 
gleichzeitig wurde reichliche Dotierung der Pfarreien, Schulen, milden 
Stiftungen und der der Jugenderziehung und Krankenpflege gewidmeten 
Klöster zugesagt, zum Zwecke der Einziehung aller Klöster usw. die Er- 
teilung neuer Anwartschaften, Aufnahme von Novizen, Besetzung von 
Stellen untersagt. Nach § 3 des Edikts sollte bei Strafe der Nichtig- 
keit fortan ohne Genehmigung des Staats keine Substanzveränderung 
vorgenommen, kein Inventar veräußert, weder Kapitalien eingezogen, 
noch Schulden kontrahiert, keine Pachtverträge geschlossen oder ver- 
längert werden. (Vgl. Deklaration vom 6. Juni 1812 /G. S. 108)). 
In den westlichen Provinzen, welche nach beendigtem Freiheitskriege 
dem preußischen Staate wieder zufielen, war die Einziehung der geist- 
lichen Güter meist schon früher erfolgt. Im Koönigreich Westpulen 
unterlagen der Säkularisation zuerst im Jahre 1809 alle Nonnen- 
klöster und im Jahre 1810 alle übrigen geistlichen Institute ohne 
Unterschied, mit alleiniger Ausnahme der für den öffentlichen Unterricht 
bestimmten (Dekret vom 13. Mai 1809, 1. Dezember 1810 und 
3. April 1812, enthalten in dem Bulletin des Lois de Westphalie 
Tom. V p. 211; Tom. IX p. 361 und Tom. XI p. 331). Nück- 
sichtlich der Landesteile des linken Rheinufers verfügte ein Dekret 
vom 17. Mai 1796 die Einziehung aller Bistums-, Kapitel-, Pfarr- 
und Ordensgüter. (Vgl. Altmann, Die Praxis der preußischen Gerichte 
in Kirchen-, Schul= und Ehesachen. Leipzig 1861 S. 239 Anm. 1). 
Das Domkapitel von Brandenburg ist jedoch bestehen geblieben. 
Ebenso bestehen noch die evangelischen Dom= und Kollegiatkapitel in
	        
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