Full text: Die Verfassung und Verwaltung im Deutschen Reiche und Preußen. Zweiter Band. Preußen. (2)

42 2. Buch. Die Organe der Staats- und staatlichen Selbstverwaltung. 
die Gründe für die Einleitung des Disziplinarverfahrens und der 
Amtssuspension, die Vorschriften über den Gang des Verfahrens, 
die zu verhängenden Strafen, vollkommen übereinstimmen. Nur in 
zwei Punkten besteht eine Verschiedenheit, die durch die den Richtern 
gewährte Unabhängigkeit, Unversetzbarkeit und Unabsetzbarkeit begründet 
ist, nämlich in der Gestaltung des Instanzenzuges bei einem eingeleiteten 
Disziplinarverfahren und bei der unfreiwilligen Versetzung der Richter 
auf eine andere Stelle oder in den Ruhestand. 
Als Disziplinargerichte für die Richter sind zuständig: 
a) Der bei dem Kammergericht zu Berlin gebildete, aus 15 Mit- 
gliedern bestehende große Disziplinarsenat in betreff der Präsidenten 
und der Senatspräsidenten der Oberlandesgerichte. 
Vorsitzender des großen Disziplinarsenats ist der Präsident, im Falle 
der Verhinderung desselben der älteste Senatspräsident. 
Zu den Mitgliedern gehören die fünf ältesten Senatspräsidenten 
oder, falls der älteste Senatspräsident den Vorsitz führt, die fünf ihm 
dem Alter nach folgenden Senatspräsidenten. 
Die Bestimmung der aus der Zahl der Räte erforderlichen Mitglieder 
des großen Disziplinarsenats erfolgt nach den für die Bildung der 
für Zivil= und Strafsenate geltenden Vorschriften. 
Ein Richter, welcher bei einer durch ein Rechtsmittel angefochtenen 
Entscheidung mitgewirkt hat, ist von der Mitwirkung bei der Ent- 
scheidung des großen Disziplinarsenats kraft Gesetzes ausgeschlossen. 
b) Die bei den Oberlandesgerichten mit 7 Mitgliedern gebildeten 
Disziplinarsenate in betreff der sonftigen Mitglieder der Ober- 
landesgerichte und aller übrigen Richter des Bezirks. 
Vorsitzender des Disziplinarsenats ist der Präsident, im Falle der 
Verhinderung desselben der älteste Senatspräsident. Zu den Mit- 
gliedern gehört der älteste Senatspräsident oder, falls dieser den 
Vorsitz führt, der nächstälteste Senatspräsident. 
Die Bestimmung der sonst noch erforderlichen Mitglieder geschieht 
ebenso wie beim großen Disziplinarsenat. 
Hilfsrichter sind von der Teilnahme an den Entscheidungen über 
Disziplinarsachen ausgeschlossen. 
Die Entscheidungen erfolgen nach der absoluten Mehrheit der Stimmen 
(Ges. vom 7. Mai 1851 § 18 und Ges. vom 9. April 1879 §§ 4—129. 
Gegen die von dem Disziplinarsenat gefällten Urteile steht dem 
Staatsanwalt und dem Angeschuldigten die Berufung an den großen 
Disziplinarsenat des Kammergerichts zu (Ges. vom 7. Mai 1851 
§ 36 und Ges. vom 9. April 1879 § 8). 
Bezüglich der unfreiwilligen Versetzung der Richter auf eine andere 
Stelle oder in den Ruhestand gilt folgendes: 
Die Versetzung eines Richters von einer Stelle auf 
eine andere wider dessen Willen kann, außer in dem Falle, 
wenn sie durch Veränderungen in der Organisation der Gerichte oder 
ihrer Bezirke nötig wird, nur geschehen, wenn sie durch das Interesse 
der Rechtspflege dringend geboten ist (§ 51 des Ges. vom 7. Mai 
1851). Wenn zwischen den Richtern, welche bei dem nämlichen
	        
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