Full text: Amtliche Kriegsdepechen Band 1 (1)

  
müsse. Damit erhebt die Gefahr europäischer Verwicklung ihr drohendes Haupt. 
Sobald die ersten bestimmten Nachrichten über militärische Rüstungen in Kußland 
vorliegen, lassen wir in Petersburg freundschaftlich, aber nachdrücklich erklären, daß 
kriegerische Maßnahmen gegen Oesterreich uns an der Seite unseres Zundesgenossen 
finden würden (slürmischer Beifall) und daß militärische Borbereitungen gegen uns 
zu Gegenmaßregeln zwingen würden, Mobilmachung aber sei nahe dem Krlege. 
J#ßland beteuert uns in feierlicher Weise seinen Friedenswunsch, und daß es keine 
militärischen Borbereitungen gegen uns treffe. Inzwischen sucht England zwischen 
Wien und Petersburg zu vermitteln, wobei es von uns warm unterstützt wird. Am 
28. Juli bittet der Kaiser telegraphisch den Zaren, er möge bedenken, daß Oesterreich- 
Ungarn das Zecht und die Pflicht habe, sich gegen die großserbischen UAmtriebe zu 
wehren, die seine Existenz zu unterhöhlen drohten. Der Kaiser weisi den Zaren 
auf die solidarischen monarchischen Interessen gegenüber der Frevelkat von Serajewo 
hin. (Gört! hört! und Sehr gutl) Er bittet ihn, ihn persönlich zu unterstützen, um 
den Gegensatz zwischen Wien und Petersburg auszugleichen. Ungefähr zu derselben 
Stunde und vor Empfang dieses Telegramms bittet der Zar seinerseits den Kaiser 
um seine Hilfe, er möge doch in Wien zur Mäßigung raten. Der Kaiser über- 
nimmt die Vermittlerrolle. Aber kaum ist die von ihm angeordnete Aktion im Gange, 
so mobilisiert Kußland alle seine gegen Oesterreich-Ungarn gerichteten Streitkräfte. 
(LCebhafte Kufe: Hörtl hört! Inerhört! Pfuil) Oesterreich-Ungarn selbst aber hatte 
nur seine Armeekorps, die unmittelbar gegen Serbien gerichtet sind, mobilisiert. 
Gegen Norden zu nur zwei Armeekorps und fern von der russischen Grenze. 
Der Kaiser weist sofort den Zaren darauf hin, daß durch diese Mobilmachung 
der russischen Streitkräste gegen Oesterreich die Zermittlerrolle, die er auf Bitten 
des Zaren übernommen hatte, erschwert, wenn nicht unmöglich gemacht würde. 
Trotzdem setzten wir in Wien unsere Vermittlungsaktion fort, und zwar in Formen, 
welche bis an das Aeußerste dessen gehen, was mit unserem Zundesverhältnis noch 
verträglich war. Während dieser Zeit erneuert Kußland spontan seine Versicherungen, 
daß es gegen uns keine militarischen Vorbereitungen treffe. (Große Zewegung. — DPfuil) 
Es kommt der 31. Juli. In Wien soll die Entscheidung fallen. Wir haben es 
bereits durch unsere Borstkellungen erreicht, daß Wien in dem eine Zeitlang nicht 
mehr im Gange beftindlichen direkten Verkebr die Aussprache mit Detersburg wieder 
aufgenommen hat. Aber noch bevor die letzte Entscheidung in Wien fällt, kommt 
die Nachricht, daß Kußland seine gesamte Wehrmacht, also auch gegen uns, mobil 
gemacht hat. Die russische Kegierung, die aus unseren wiederholten VBorstellungen 
wußte, was die Mobilmachung an unserer Grenze bedeutet, notifiziert uns diese Mobil- 
machung nicht, gibt uns zu ihr auch keinerlei erklärenden Aufschluß. Erst am 
Nachmittag des 31. Juli trifft ein Telegramm des Zaren beim Kaiser ein, in dem er sich 
dafür verbürgt, daß seine Armee keine provokatorische Haltung gegen uns einnehmen 
werde. Aber die Mobilmachung an unserer Grenze isi schon seit der Nacht vom 
30. zum 31. Juli in vollem Gange. Während wir auf russisches Bitten in Wien 
vermitteln, erhebt sich die russische Wehrmacht an unserer langen, fast ganz offenen 
 
	        
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