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konnten wir unserem Bundesgenossen unser Einverstäudnis mit seiner Einschätzung
der Sachlage geben und ihm versichern, daß eine Aktion, die er für notwendig
hielte, um der gegen den Bestand der Mounarchie gerichteten Bewegung
in Serbien ein Ende zu machen, unsere Billigung finden würde. Wir waren
uns hierbei wohl bewußt, daß ein etwaiges kriegerisches Vorgehen Österreich= Ungarns
gegen Serbien Rußland auf den Plan bringen und uns hiermit unserer Bundes.
pflicht entsprechend in einen Krieg verwickeln könnte. Wir konnten aber in der Er-
kenntnis der vitalen Interessen Osterreich-Ungarns, die auf dem Spiele standen, unserem
Bundesgenossen weder zu einer mit seiner Würde nicht zu vereinbarenden Nachgiebigkeit
raten noch auch ihm unseren Beistand in diesem schweren Moment versagen. Wir konnten
dies um so weniger, als auch unsere Interessen durch die andauernde serbische Wähl-
arbeit auf das empfindlichste bedroht waren. Wenn es den Serben mit Rußlands
und Frankreichs Hilfe noch länger gestattet geblieben wäre, den Bestand der Nachbar-
monarchie zu gefährden, so würde dies den allmählichen Jusammenbruch OÖsterreichs
und eine Unterwerfung des gesamten Slawentums unter russischem Szepter zur Folge
haben, wodurch die Stellung der germanischen Rasse in Mitteleuropa unhaltbar
würde. Ein moralisch geschwächtes, durch das Vordringen des russischen Panslawismus zu-
sammenbrechendes Osterreich wäre für uns kein Bundesgenosse mehr, mit dem wir rechnen
könnten, und auf den wir uns verlassen könnten, wie wir es angesichts der immer
drohender werdenden Haltung unserer östlichen und westlichen Nachbarn müssen.
Wir ließen daher SÖsterreich völlig freie Hand in seiner Aktion gegen Serbien. Wir
haben an den Vorbereitungen dazu nicht teilgenommen.
Osterreich wählte den Weg, in einer Note der serbischen Regierung ausführlich
den durch die Untersuchung des Mordes von Serajewo festgestellten unmittelbaren
Iusammenhang zwischen dem Morde und der von der serbischen Regierung nicht nur
geduldeten, sondern unterstützten großserbischen Bewegung darzulegen und von ihr eine
vollständige Abstellung dieses Treibens sowie Bestrafung der Schuldigen zu fordern.
Gleichzeitig verlangte Osterreich-Ungarn als Garantie für die Durchführung des Verfahrens
Teilnahme seiner Organe an der Untersuchung auf serbischem Gebiet und definitive
Auflösung der gegen Österreich-Ungarn wühlenden großserbischen Vereine. Die k. u. k.
Regierung stellte eine Frist von 48 Stunden zur bedingungslosen Annahme ihrer
Forderungen. Die serbische Regierung hat einen Tag nach UÜberreichung der
österreichisch-ungarischen Note die Mobilisation begonnen. Als nach Ablauf der
Frist die serbische Regierung eine Antwort erteilte, die zwar in einigen Punkten
die Wünsche Österreich-Ungarns erfüllte, im wesentlichen aber deutlich das Bestreben
erkennen ließ, durch Verschleppung und neue Verhandlungen sich den gerechten
Forderungen der Monarchie zu entziehen, brach diese die diplomatischen Beziehungen
zu Serbien ab, ohne sich auf weitere Verhandlungen einzulassen oder sich
von serbischen Versicherungen hinhalten zu lassen, deren Wert es genugsam — zu
seinem Schaden — kennt.
Von diesem Augerblick an befand sich Österreich tatsächlich im Kriegszustande
mit Serbien, den es dann noch durch die offizielle Kriegserklärung vom 28. d. Mts.
öffentlich proklamierte.
Vom ersten Anfang des Konflikts an haben wir auf dem Standpunkt gestanden,
daß es sich hierbei um eine Angelegenheit Osterreichs handelte, die es allein mit