II. Der Zar an Seine Majestät.
Peterhof. Palais, 29. Juli I p. ur.
Ich bin erfreut, daß Du zurück in Deutschland bist. In diesem so ernsten
Augenblick bitte ich Dich inständig mir zu helsen. Ein schmählicher Krieg ist an
ein schwaches Land erklärt worden, die Entrüstung hierüber, die ich völlig teile, ist
in Rußland ungehener. Ich sehe voraus, daß ich sehr bald dem Druck, der auf
mich ausgeübt wird, nicht mehr werde widerstehen können und gezwungen sein werde,
Maßregeln zu ergreifen, die zum Kriege führen werden. Um einem Unglück, wie es
ein europäischer Krieg sein würde, vorzubengen, bitte ich Oich im Namen unserer
alten Freundschaft, alles Dir mögliche zu tun, um Deinen Bundesgenossen davon
zurückzuhalten, zu weit zu gehen.
gez. Nikolaus.
III. Seine Majestät an den Jaren.
29. Juli 6.30 p. m.
Ich habe Dein Telegramm erhalten und teile Deinen Wunsch nach Erhaltung
des Friedens. Jedoch kann ich — wie ich Dir in meinem ersten Telegramm sagte
— Österreich-Ungarns Vorgehen nicht als 'schmählichen Krieg= betrachten. Osterreich
Ungarn weiß aus Erfahrung, daß Serbiens Versprechungen, wenn sie nur auf dem
Papier stehen, gänzlich unzuverlässig sind. Meiner Ansicht nach ist Österreich-Ungarns
Vorgehen als ein Versuch zu betrachten, volle Garantie dafür zu erhalten, daß Serbiens
Versprechungen auch wirklich in die Tat umgesetzt werden. In dieser Ansicht werde
ich bestärkt durch die Erklärung des österreichischen Kabinetts, daß Österreich-Ungarn
keinc territorialen Eroberungen auf Kosten Serbiens beabsichtige. Ich meine daher)
daß es für Rußland durchaus möglich ist, dem österreichisch-serbischen Krieg gegenüber
in der Rolle des Zuschauers zu verharren, ohne Europa in den schrercklichsten Krieg
hineinzuziehen, den es jemals erlebt hat. Ich glaube, daß einc direkte Verständigung
zwischen Deiner Regierung und Wien möglich und wünschenswert ist, eine Verständi-
gung, die — wie ich Dir schon telegraphierte — meine Regierung mit allen
Kräften zu fördern bemüht ist. Natürlich würden militärische Maßnahmen Ruß.
lands, welche Österreich-Ungarn als Drohung auffassen könnte, ein Unglück beschleunigen,
das wir beide zu vermeiden wünschen, und würden auch meine Stellung als Ver-
mittler, die ich — auf Deinen Appell an meine Freundschaft und Hilfe — bereit-
willig angenommen habe, untergraben.
gez. Wilhelm.