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eine gebieterische Notwendigkeit vorliege, sich dauernd darüber unterrichtet zu halten,
was in dem uns benachbarten Rheinland vor sich gehe. Ich mußte ihm gestehen, daß bei
uns der ausländische Uberwachungsdienst in Friedenszeiten nicht unmittelbar dem General.
stab unterstehe, wir hätten keine Militärattaches bei unseren Gesandtschaften. Ich
hütete mich indessen sehr, ihm einzugestehen, daß ich nicht wußte, ob der Spionage-
dienst, der durch unsere Reglements vorgeschrieben ist, in Ordnung war oder nicht.
Aber ich halte es für meine Bflicht, hier auf diese Lage aufmerksam zu machen, die
uns in einen Justand offenbarer Unterlegenheit gegenüber unseren Nachbarn und
eventuellen Feinden versetzt.
Generalmajor, Chef des Generalstabs.
Unterschrift.
Notiz.
Als ich den General Grierson während der Manöver 1906 traf, versicherte
er mir, daß die Reorganisation der englischen Armee den Erfolg herbeiführe, daß
nicht nur die Landung von 150000 Mann gesichert sei, sondern daß hierdurch auch
die Aktion des Heeres in einer kürzeren Jeit gewährleistet werde, als im vorstehenden
angenommen wurde.
Ende September 1906.
Unterschrift.=
Auf dem Schriftstück findet sich noch der folgende Randvermerk: Lentrée des
Anglais en Belgique ne se ferait qu’après la violation de notre neutralité par
I1 Allemagne. Welche Bewandtnis es hiermit hatte, erhellt aus einer im belgischen
Ministerium des Nußern aufgefundenen Aufzeichnung über eine Unterredung eines Nach.
folgers des Oberstleutnants Barnardiston, des englischen Militärattaches in Brüssel,
Oberstleutnant Bridges, mit dem belgischen Generalstabschef General Jungblnuth.
Das Schriftstück das vom 23. April datiert ist und vermutlich aus dem Jahre 1912
stammt, ist von der Hand des Grafen van der Straaten, Direktor im belgischen
Ministerium des Außern, mit dem Vermerk Confidentielle, versehen und lautet
in der Übersetzung folgendermaßen:
„Dertraulich.
Der englische Militärattache hat den Wunsch ausgesprochen, den General Jung
bluth zu sehen. Die Herren haben sich am 23. April getroffen.
Der Oberstleutnant hat dem General gesagt, daß England imstande sei, eine
Armee auf den Kontinent zu schicken, die aus 6 Divisionen Infanterie und aus
8 Brigaden Kavallerie — insgesamt aus 160 000 Mann — bestehe. England
habe außerdem alles Notwendige, um sein Inselreich zu verteidigen. Alles sei bereit.
Die Englische Regierung hätte während der letzten Ereignisse unmittelbar eine
Landung bei uns vorgenommen, selbst wenn wir keine Hilfe verlangt hätten.
Der General hat eingewandt, daß dazu unsere Instimmung notwendig sei
Der Militärattach6 hat geantwortet, daß er das wisse, aber da wir nicht
imstande seien, die Deutschen abzuhalten, durch unser Land zu marschieren, so hätte
England seine Truppen in Belgien auf jeden Fall gelandet.
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