Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunundzwanzigster Jahrgang. 1913. (54)

762 Anhang: Altzeneines. (Dezember 1.—19.) 
1. Dezember. (Wien.) Eine Hindeutung auf eine Konvention 
Rußlands mit drei Balkanstaaten. 
Zwischen Rußland, Serbien, Bulgarien und Montenegro wurden 
gleichzeitig mit dem schon bekannten Vertrage Bulgariens mit Serbien im 
Frühjahr 1912, also vor den Balkankriegen, bestimmte Abmachungen ge- 
troffen, die als Ergänzung des Bündnisvertrages anzusehen sind. Die 
Abmachungen richteten sich in erster Linie gegen Oesterreich-Ungarn. Sie 
enthalten Bestimmungen hinsichtlich der Zahl der von den Verbündeten 
aufzustellenden Truppen und des Zeitpunktes ihrer Bereitstellung, während 
die Aufteilung der Operationsräume besonderen Abmachungen unter den 
Generalstäben vorbehalten wird. Rußland übernahm die Verpflichtung, 
den verbündeten Staaten alle beim russischen Generalstab einlaufenden 
militärischen Informationen zur Kenntnis zu bringen und auch die Kriegs- 
ausrüstung der Verbündeten durch Sendungen von Kriegsmaterial und 
Zuwendung von Geldmitteln zu unterstützen. Die Konvention enthält außer- 
dem eine Bestimmung, durch welche die Kriegführenden im Konfliktsfalle 
gegen die Türkei und gegen Rumänien den Rückenschutz gegen Oesterreich 
garantieren. 
13. Dezember. (Berlin.) Enthüllung über Bismarcks Staats- 
streichpläne. 
Professor Hans Delbrück hat sich für seine Darstellung, daß Fürst 
Bismarck im Jahre 1890 einen Staatsstreich geplant und in seinen Einzel- 
heiten, zu denen die Aufhebung des Reichstagswahlrechtes gehörte, bereits 
erwogen habe, u. a. auch wiederholt auf einen Brief des bekannten früheren 
Führers der Konservativen Herrn v. Helldorf-Bedra berufen. Dieser vom 
9. Februar 1907 datierte Brief, den Delbrück der „Deutschen Tageszeitung“ 
übergeben hat, lautet: „Etwas erstaunt bin ich gewesen über Rottenburgs 
Behauptung, daß Fürst Bismarck niemals habe das allgemeine Wahlrecht 
beseitigen wollen. Daß es anders liegt, habe ich öfter, und ich glaube auch 
einmal im Herrenhause, ausgesprochen. Nicht aus gelegentlichen Gesprächen 
oder dergleichen, sondern aus ernsten, unter vier Augen zwischen mir und 
dem Fürsten geführten Diskussionen weiß ich dies, namentlich in der Zeit 
vor Auflösung des Reichstages wegen des Septennats usw., die dann zu 
der Wahl des sogenannten Kartellreichstags führte. Er hat damals in 
hoher Erregung und höchstem Ernst mir einmal gesagt: „Ich will die letzten 
Jahre meines Lebens daran setzen, den schwersten Fehler wieder gutzu- 
machen, den ich begangen." Und das war eben die Einführung des all- 
gemeinen Wahlrechts. Rottenburg war damals schon bei Bismarck, und 
die einzige Erklärung der Behauptung, die er jetzt aufstellt, könnte nur die 
sein, daß Bismarck ihn in diese Pläne nicht eingeweiht hat.“ 
17. Dezember. (Brüssel.) Internationale Zuckerkonferenz. 
19. Dezember. (London.) Internationale Konferenz für die 
Sicherheit des Lebens auf dem Meere. 
Sie war zuerst durch die Deutsche Reichsregierung nach der Kata- 
strophe der „Titanic“ angeregt worden.
	        
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