Full text: Amtliche Kriegsdepechen Band 2 (2)

einmal gedacht hatte. Es war wohl deshalb zu spät, weil die römischen Staats- 
männer sich nicht gescheut hatten, lange vorher, während der Dreibund noch 
leibte und lebte, derselbe Dreibund, von dem König und Regierung auch nach 
Ausbruch des Weltkrieges ausdrücklich anerkannt hatten, daß er weiter bestände 
llebhafter Zustimmung), daß sie lange vorher sich mit der Tripleentente so tief 
eingelassen hatten, daß sie sich aus ihren Armen nicht mehr losmachen konnten. 
Schon im Dezember waren Anzeichen für eine Schwenkung des römischen Kabinetts 
zu erkennen. Zwei Eisen im Feuer zu haben, isi ja immer nühzlich, und Jtalien 
hatte ja auch früher schon seine Vorliebe für Extratouren gezeigt. Aber hier war 
kein Tanzsaal, hier ist blutige Walstatt, auf der Deutschland und Oesterreich-Ungarn 
gegen eine Welt von Feinden um ihr TCeben ringen (lebhafte Zustimmung). Und, 
meine Herren, dasselbe Spiel wie gegen uns haben die römischen Staatsmänner 
auch gegen ihr eigenes Volk gespielt. Gewiß, das Tand italienischer Zunge an der 
Nordgrenze war von jeher ein Traum und Wunsch eines jeden Jtalieners, aber 
doch wollte das italienische Bolk in seiner großen Mehrheit nichts von einem Kriege 
wissen und auch nicht die Mehrheit des Darlaments. Noch in den ersten Tagen 
des Dai waren nach den Beobachtungen des besten Kenners der italienischen Ver- 
hältnisse vier Fünftel des Senats und zwei Drittel der italienischen Kammer gegen 
den Krieg, darunter waren die ernstesten und gewichtigsten Staatsmänner der ganzen 
letzten Zeit. Aber die Bernunft kam nicht mehr zum Worte, es regierte allein die 
Straße, und die Straße war unter der wohlwollenden Duldung und Färderung 
der leitenden Staatsmänner des Kabinetts, bearbeitet von dem Golde der Triple- 
entente und unter Führung gewissenloser Kriegshetzer in einen Blutrausch versetzt, 
der dem König die Revolution und allen Gemäßigten leberfall und Mord androhte, 
wenn sie nicht in die Kriegstrompete mit einfsioßen wollten. 
clleber den Gang der österreichischen Berhandlungen, über das Maß der öster- 
reichischen Konzessionen wurde das VBolk geftissentlich im dunkeln gehalten. So kam 
es, daß nach dem Rücktritt des Kabinetts Salandra sich niemand mehr fand, der 
den Mut hatte, eine neue Kabinettsbildung zu übernehmen, und daß in der ent- 
scheidenden Debatte über die Kriegsvollmachten kein Redner der konstitutionellen 
Dartei des Senats oder der Kammer den Wert der weitgehenden österreichischen 
Konzesssonen auch nur zu würdigen versucht hat. In dem Kriegstaumel sind die 
ehrlichen Holitiker verstummt. Aber wenn durch die militärischen Ereignisse, wie wir 
sie hoffen und wünschen, eine Ernüchterung des italienischen Bolkes eintreten wird, 
dann werden ihm auch die Augen darüber aufgehen, wie leichtfertig es in diesen 
Weltkrieg hineingehetzt worden ist. (Sehr richtig)) 
Wir, meine Herren, haben alles getan, um die Abkehr Italiens vom Zunde zu 
verhüten; uns fiel dabei die undankbare Rolle zu, dem treuverbündeten Oesterreich- 
Ungarn, mit dessen Armeen unsere Truppen täglich Wunden und Tod und Sieg 
keilen, anzusinnen, die VBertragstreue des Dritten durch die Abtretung altererbter 
Gebiete zu erkaufen. Daß Oesterreich-ngarn schließlich bis an die dußerste Grenze 
des Möglichen gegangen ist, ist bekannt. Der Fürst Zülow, der von neuem in den 
 
	        
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