Dreiunddreißig Jahre lang hat der Dreibund es verhütet, daß, auch wenn reale Interessen-
gegensätze beider Länder aufeinandersließen, die Bezlehungen zwischen der Donaumonarchie und
Italsen ernfflich gefährdet wurden. Zugleich erwies sich der Dreibund als außerordentlich skarkes
Gegengewicht gegen französssch russische Angriffsgelüste. Freilich wirkten dle aus früherer Zeit
überkommenen Gegensätze zwischen der habsburgichen Monarchie und Italien auch unter der
Decke des Dreibundes fort. Die italientsche JIrredenta wurde, wie der Nationalismus in allen
Ländern, immer stärker und richtete immer begehrlichere Zlicke über die ösferreichische Grenze.
Dazu kamen in Italien starke Strömungen, von den Radtkalen und der vom Dariser Orient
abhängigen Freimaurerel genährt, dle dem Drelbund ohne Sympathien, sa feindlich gegenüber-.
standen und in einer Annäherung an das lateintsche republikanische Frankreich das Hell erblickten.
Schon in das Jahr 190/1 fallen Borgänge, die eln leises Abrücken Jtallens nach der französischen
Seite erkennbar machten. Es erfolgte der Abschluß des stallentsch-französischen Mittelmeerabkommens,
in dem Frankreich und Italien Zereinbarungen über ihre gegenseltlge Holitik bezüglich Tripolis
und Marokko krafen, und dessen Folgen kn der Haltung Italiens auf der Algectraskonferenz
erkennbar wurden.
Schon damals lagen begründete Anzeichen dafür vor, daß neben dlesen, sozusagen kolonlalen
BVereinbarungen noch Abreden zwischen beiden Mächten getroffen wurden, die, wenn nicht mit
dem Wortlaut, so doch mit dem Geist des Drelbundes schwerlich im Einklang skanden.
Symptomatisch In dieser Hinsicht waren die großen Anstrengungen, die der stalienische Minster
des Aeußern, Herr Drinetil, bei den Berhandlungen über die Erneuerung des Dreibundes im
Jahre 1902 machte, um eine Abänderung des Pertrages herbeizuführen oder doch wenigstens
nach außen hin den Eindruck zu erwecken, als ob eine den geänderten französisch-ktalienischen
Beziehungen Rechnung tragende Revision des Vertragstextes erfolgt sel. Dle kalserliche Regierung
stand damals ebenso wie bei den späteren Erneuerungen des Vertrages vor der Frage, ob sie
bei dieser Lage der Dinge auf die Fortsetzung des Zundesverhältnisses mit Jtalien verzichten
oder dem Königreiche die großen VBorteile auch noch weiter fortgewähren solle, die ihm durch
das Bündnis geboten wurden. Die Frage ist in allen Fällen aus dem Grunde besaht worden,
weil sonst dle Gefahr vorlag, daß Jtalien vollskändig fn das gegnerische Lager übergehen und
damit Oesterreich-Ungarn die Rückendeckung verlieren könnte, die ihm das Bündnis gewährleistete,
solange es gehalten wurde.
Die Zichtgkelt dieser Holitik erwies sich, als im Jahre 1901 die entschefdende Wendung in
der englischen Holitik, das heißt der Abschluß der englisch-französischen Entente erfolgte, indem
sie trotz des vorliegenden französssch-italienischen Mittelmeerabkommens Jtalien in einem Zustande
der Neutralitaät erhlelt, die zwar, wie auf der Konferenz von Algeciras, schwerlich eine wohl-.
wollende war, immerhin aber Frankreich und England verhinderte, schon damals In der
marokkanischen Frage die Note zu forcieren. Auch darf nicht übersehen werden, daß die italienischen
Staatsmänner stets vor einer hypnotischen Furcht vor einem etwalgen Angriff der englischen
Flotte auf die itallenischen Küsten erfüllt waren. Hleraus erklärt es sich, daß in dem Maße,
wie die Entfremdung zoischen Deutschland und England zunahm, das Bestreben der stalienischen
Dolitik sich akzentuierte, mit den Ententemächten, insbesondere auch mit Rußland, engere Fühlung
zu suchen. Die Begegnung von Racconigi im Jahre 1008 brachte VBereinbarungen zwischen
Rußland und Jtalien hervor, die sich nach den der kaiserlichen Kegierung darüber vorliegenden
Nachrichten auf den Zalkan und andere Fragen erffreckten.
In den folgenden Jahren hatte die kalserliche Keglerung wiederholt die Beobachtung machen
müssen, daß Interna der Holi#tik der Dreibundmächte auf dem Wege über Rom nach Petersburg
gelangten und zwischen der stallenlschen und der russischen Olplomatie politische Fragen in einer
Weise erörtert wurden, die mit dem Geist der Copalität, wie er zwischen Berbündeten obwalten
sollte, kaum noch in Einklang zu bringen war. Dle kaiserliche Regierung hat unter diesen Umständen
schon lange mit der Wahrscheinlichkeit gerechnet, daß im Fall des Eintritts des Casus focderis