Full text: Amtliche Kriegsdepechen Band 2 (2)

  
  
  
neutralen Schiffahrt Gelegenheit zu geben, sich auf die Vermeidung der drohenden Gefahr ein- 
zurichten. Letzteres geschieht am sichersten durch das Fernbleiben von dem Seekriegsgebiet. Die 
neutralen Schiffe, die trotz dieser die Erreichung des Kriegszweckes gegenüber England schwer 
beeinträchtigenden langfristigen Ankündigung sich in die gesperrten Gewässer begeben, tragen selbst 
die Verantwortung für etwaige unglückliche Zufälle. Die deutsche Regierung ihrerseits lehnt 
jede Verantwortung für solche Zufälle und deren Folgen ausdrücklich ab. 
Ferner hat die deutsche Regierung lediglich die Vernichtung der feindlichen innerhalb des 
Seekriegsgebiets angetroffenen Handelsschiffe angekündigt, nicht aber die Vernichtung aller Handels- 
schiffe, wie die amerikanische Regierung irrtümlich verstanden zu haben scheint. Auch diese Be- 
schränkung, die die deutsche Regierung sich auferlegt, ist eine Beeinträchtigung des Kriegszwecks, 
zumal da bei der Auslegung des Begriffs der Konterbande, die Englands Regierung gegen- 
über Deutschland beliebt hat und die demgemäß die deutsche Regierung auch gegen England 
anwenden wird, auch den neutralen Schiffen gegenüber die Präsumtion dafür sprechen wird, 
daß sie Konterbande an Bord haben. Auf das Recht, das Vorhandensein von Konterbande 
in der Fracht neutraler Schiffe festzustellen und gegebenenfalls aus dieser Feststellung die Kon- 
sequenzen zu ziehen, ist die kaiserliche Regierung natürlich nicht gewillt, zu verzichten. 
Die deutsche Regierung ist schließlich bereit, mit der amerikanischen Regierung jede Maß- 
nahme in die ernsthafteste Erwägung zu ziehen, die geeignet sein könnte, die legitime Schiffahrt 
der Neutralen im Kriegsgebiet sicherzustellen. Sie kann jedoch nicht übersehen, daß alle Be- 
mühungen in dieser Richtung durch zwei Umftände erheblich erschwert werden: 
1. Durch den inzwischen wohl auch für die amerikanische Regierung außer Zweifel gestellten 
Mißbrauch der neutralen Flagge durch die englischen Handelsschiffe; 
2. durch den bereits erwähnten Konterbandehandel — insbesondere mit Kriegsmaterial — der 
neutralen Handelsschiffe. 
Hinsichtlich des letzteren Punktes gibt sich die deutsche Regierung der Hoffnung hin, daß 
sich die amerikanische Regierung bei nochmaliger Erwägung zu einem dem Geiste wahrhafter 
Neutralität entsprechenden Eingreifen veranlaßt sehen wird. 
Was den ersten Punkt anlangt, so ist der deutscherseits der amerikanischen Regierung bereits 
mitgeteilte Geheimbefehl der britischen Admiralität, der den englischen Handelsschiffen die 
Benutzung neutraler Flaggen anempfohlen hat, inzwischen durch eine Mitteilung des britischen 
Auswärtigen Amtes, das jenes Verfahren unter Berufung auf inneres englisches Recht als 
völlig einwandfrei bezeichnet, bestätigt worden. Die englische Handelsflotte hat den ihr erteilten 
Rat auch sogleich befolgt, wie der amerikanischen Regierung aus den Fällen der Dampfer 
„Lusitania““ und „Laertes“ bekannt sein dürfte. 
Weiter hat die britische Regierung die englischen Handelsschiffe mit Waffen versehen und 
sie angewiesen, den deutschen Unterseebooten gewaltsam Widerstand zu leisten. Unter diesen 
Umständen ist es für die deutschen Unterseeboote sehr schwierig, die neutralen Handelsschiffe als 
solche zu erkennen; denn auch eine Untersuchung wird in den meisten Fällen nicht erfolgen 
können, da die bei einem maskierten englischen Schiff zu erwartenden Angriffe das Untersuchungs- 
kommando und das Boot selbst der Gefahr der Vernichtung aussetzen. 
Die britische Regierung wäre hiernach in der Lage, die deutschen Maßnahmen illusorisch zu 
machen, wenn ihre Handelsflotte bel dem Mißbrauch neutraler Flaggen verharrt und die 
neutralen Schiffe nicht anderweit in zweifelloser Weise gekennzeichnet werden. Deutschland 
muß aber in dem Notstand, in den es rechtswidrig versetzt wird, seine Maßnahmen unter allen 
Amständen wirksam machen, um dadurch den Gegner zu einer dem Völkerrecht entsprechenden 
Führung des Seekrieges zu zwingen und so die Freiheit der Meere, für die es von jeher ein- 
getreten ist und für die es auch heute kämpft, wiederherzuftellen. 
Die deutsche Regierung hat es daher begrüßt, daß die amerikanische Regierung gegen den 
rechtswidrigen Gebrauch ihrer Flagge bei der britischen Regierung Vorstellungen erhoben hat,