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Die zweite Antwort Baron Burians an Amerika. — Entgegen-
kommende Haltung im „Ancona“-Fall.
Wien, 30. Dezember. Der k. u. k. Minisker des Acußeren hat an den BZeischafter der
Bereinigten Staaten von Amerika Frederick Courtland Denfield unter dem 29. Dezember 1915
eine Note gerichtet. Diese teilt ausführlich die Ergebnisse der Unterredung mit, welche auf
Grund der bestehenden internen Vorschriffen sosort nach Einlangen des Flottenberichtes über die Ber-
senkung der „Ancona“ eingeleiket worden war, und fährt dann sort: „Wie aus dem voran-
geführten Sachverhalie erhellk, geht die sehr geschätzte Nolc vom 9. Dezember in mehreren Hunkien
von unzutreffenden Vorausfetzungen aus., U#richtig ist die der Unionsregierung zugekommene
Informakion, daß auf den Dampfer sogleich ein scharfer Schuß (solid shof iowerd fhe steemship)
abgegeben wurde; unrichlig, daß das U.Boot den Dampfer während der Verfolgung überholk
(overheuted) hat, unrichtig, daß zur Ausbootung der Derfonen nur eine kurze Frift (briet
perioch gewährt wurde. Vielmehr ist gerade der „Ancona“ ungewöhnlich lange Zeit zur Aus-
schiffung der Dassagiere gelassen worden. Inrichtig ist endlich, daß auf den Dampfer, nachdem
er gesioppl hatte, noch mehrere Schüsse (number of shells) abgegeben wurden. Der Sach-
verhalt läßt des weiteren erkennen, daß der Kommandanit des U-Booies dem Dampfer volle
45 Minuten, also mehr als hinreichend, Zeit gelassen hab, um den an Bord befindlichen Per-
sonen Gelegenheit zur Ausbootung zu geben. Sodann bewerkskelligte er, als die Leute noch
immer nicht geborgen waren, die Torpedierung auf folche Ark, daß das Schiff möglichst lange
Zeit über Wasser bleiben konnte. Dies in der Absicht, die Ausschiffung auf den noch vorhandenen
Booken zu ermöglichen. Er hätte, da der Dampfer noch weitere 45 Minuten über Wasser
blieb, diesen Zweck auch erreichl, wenn die Befatzung der „Ancona“ die Dassagiere nichl in
pflichtwidriger Weise im Sltiche gelassen hälte. Zei aller Würdigung dieses auf Reitung der
Besatzung und der Passagiere hinzielenden Borgehens des Kommandanien kam die k. u. k. Marine-
behörde aber zu dem Schlusse, daß er unterlassen habe, auf die unter den Dassagieren enistandene
das Ausbooien erschwerende Hanik und auf den Geist der Vorschrift, daß k. u. k. Secoffiziere
in Not niemandem, auch dem Feinde nicht, die Hilfe versagen sollen, hinreichend Bedacht zu
nehmen. Sohin wurde der Offizier wegen eberschreitung jener Insfruktionen gemäß den hierfür
gelienden Mormen besirasf. Die k. u. k. Regierung steht bei dieser Sachlage nicht an, bezünglich
der Schadloshaltung der durch die Verfenkung der Hrise betroffenen amerikanischen Bürger die
enisprechenden Folgerungen zu ziehen. Sie muß sedoch in dieser Hinsicht folgendes bemerken:
Die Untersuchung über die Versenkung der „Ancona“ konnle selbsiverständlich keinen Anhalts-
punkt dafür liefern, in wie weit amerikanischen Bürgern ein Anspruch auf Ersah zuzusprechen
ist. Für die Schäden, welche durch die zweifellos gerechiferkigte Zeschießung des fliehenden
Schiffes entskanden sind, kann die k. u. k. Regierung wohl auch nach der Ansicht des Washing=
toner Kabinekis nicht haftbar gemacht werden. Ebensowenig dürfte sie für den Schaden einzu-
siehen haben, welche vor der Torpedierung durch fehlerhafles Ausbooten oder durch das Kentern
der ausgesetzten Boote sich ergeben haben. Die k. u. k. Kegierung muß annehmen, daß das Washinsg-
toner Kabinett in der Lage und gewillt ist, ihr die in dieser Hinsscht erforderlichen und gewiß nicht
unwesentlichen Informationen zukommen zu lassen. Sollten der Unionsregicrung sedoch bei dem
etwaigen Fehlen entsprechenden Beweismatertales die näheren Amstände nicht bekannt geworden
sein, unter welchen die amerikanischen Angehörigen zu Schaden gekommen sind, so wäre die k. u. k. Je#-
gierung in Berücksichtigung des menschlich tief bedauerlichen Vorfalles und von dem Wunsch geleitei,
der Bundesregierung neuerlich ihre freundschafklichen Gesinnungen zu bekunden, gern bereit, über diese
Lücke der Beweisführung hinwegzugehen und den Ersatz auch auf jene Schäden zu erftrecken, deren
ummittelbare Ursache nicht festgestellt werden konnte. Indem die k. u. k. Regierung mit den vor-
skehenden Ausführungen die Angelegenhei# der „Ancona“ wohl als beseitigt ansehen darf, behält sie *
sich gleichzeiiig vor, die schwierigen völkerrechtlichen Fragen, die mit dem AUnterseebooikrieg ·
zusammenhängen, in einem späteren Zeitpunkte zur Erörierung zu bringen.“ (W. T. B.)
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