Full text: Amtliche Kriegsdepeschen Band 1 (1)

Des Reichskanzlers Anklage gegen England. 
(Was England im Namen der Freiheit kat. — Die Aufgabe des deutschen 
Schwertes.) 
Kopenhagen, 13. September. Ritzaus Bureau hat vom Zeichskanzler 
Dr. v. Bethmann Hollweg nachstehende Mitteilung empfangen: 
Der englische Hremierminister hat in seiner Guildhall. Rede für England die 
Beschützerrolle der kleineren und schwächeren Staaten in Anspruch genommen und 
von der Neutralität Belgiens, Hollands und der Schweiz gesprochen, die von 
Deutschland gefährdet sei. Es ist richtig, wir haben Belgiens Neutralität verletzt, 
weil die bittere Not uns dazu zwang. Aber wir hatten Belgien volle Integritäf 
und Schadloshaltung zugesagt, wenn es mit dieser Notlage rechnen wollte. Belgien 
wäre dann ebensowenig etwas geschehen, wie z. B. Luxemburg. Hätte England, 
als Schützer der schwächeren Staaten, Belgien unendliches Leid ersparen wollen, 
dann hätte es ihm den Rat erteilen müssen, unser Anerbieten anzunehmen. „Geschützt“ 
hat es unseres Wissens elgien nicht. Ist also England wirklich ein so selbsiloser 
Beschützer? Wir wissen genau, daß der französische Kriegsplan einen Durchmarsch 
durch Zelgien zum Angriff auf die unbeschützten Kheinlande vorsah. Gibt es 
semand, der glaubt, England würde dann zum Schutze der belgischen Freiheit gegen 
Frankreich eingeschritten sein! Die Neutralität Hollands und der Schweiz haben 
wir streng respeltiert und auch die geringste Grenzüberschreitung des Niederländischen 
Limburg peinlichst vermieden. Es ist auffällig, daß Herr Asquith nur Belgien, 
Holland und die Schweiz, nicht aber auch die fkandinavischen Länder erwähnt. 
Die Schweiz mag er genannt haben im Hinblick auf Frankreich. Holland und 
Belgien aber liegen England gegenüber an der anderen Küste des Kanals; darum 
ist England um die „Neutralitat“ dieser Länder so besorgt. Warum schweigt Herr 
Asquith von den skandinavischen RKeichen?" Vielleicht weil er weiß, daß es uns 
nicht in den Sinn kommt, die Neutralität dieser Länder anzutasten! Oder sollte 
England etwa für einen Vocskoß in die Oftsee oder für die Kriegsführung Rußlands 
die dänische Neutralität doch nicht für ein noli me tangere halten? Herr Asquith 
will glauben machen, daß der Kampf Englands gegen uns ein Kampf der Freiheit 
gegen die Gewalt sel. An diese Ausdrucksweise isi die Welt gewöhnt. Im Namen 
der Freiheit hat England mit Gewalt und einer Holitik des rücksichtslosesten Egoismus 
sein gewastiges Kolonialreich begründet. Im Namen der Freiheit hat es noch um 
die Wende dieses Jahrhunderts die Selbständigkeit der Zurenrepubliken vernichtet. 
Im Namen der Freiheit behandelt es jetzt Aegypten, unter Verletzung internationaler 
Verträge und eines feierlich gegebenen Versprechens, als englische Kolonie. Im 
Namen der Freiheit verliert einer der malaiischen Schutzssaaten nach dem anderen 
seine Selbständigkeit zugunsten Englands. Im Namen der Freiheit sucht es durch 
Zerschneidung der deutschen Kabel zu verhindern, daß die Waheheit in die Welt 
dringt. Der englische Ministerpräsident irtt. Seit England sich mit Kußland und 
Japan gegen Deutschsand verband, hat es in einer in der Geschichte der Welt einzig