Full text: Amtliche Kriegsdepeschen Band 1 (1)

  
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
Des Reichskanzlers Antwort an Viviani. 
Der Zeichskanzler hat an die Kaiserlichen Zotschafter und Gesandten elnen 
ZKunderlaß, datiert Großes Hauptauartier, den 24. Dezember 1914, gerichtet, der sich 
gegen die Zede richtet, die Ministerprässdent Biviank in der französischen Kammer 
gehalten hat. Darin befindet sich der Dassus, daß Frankreich und Kußland am 
31. Juli dem englischen Vorschlag beigestimmt hätten, die militaGrischen Borbereitungen 
einzustellen und in Berhandlungen in London einzutreten. Hätte Deutschland zu- 
gestimmt, so hätte der Friede noch in dieser letzten Stunde erhalten werden können. 
Der Reichskanzler führt u. a. aus: 
Staatssekretär v. Jagow wies in seinem Gespräch mit dem britischen Botschafter am 
27. Juli darauf hin, daß er in dem Wunsche RKußlands, mit Oesterreich-Aungarn direkt zu 
verhandeln, eine Entspannung der Lage und die beste Aussscht auf eine friedliche Lösung 
erblickte. Diesem Wunsch, durch den dieenglische Konferenzidee auch nach russtscher Meinung 
vorladufig ausgeschaltet war, hat Deutschland von dem Tage, wo er gedußert wurde, mit 
aller Energie, die ihr zu Gebote skand, In Wien unterstützt. Kein Staat kann ehrlicher 
und energischer danach gestrebt haben, den Frieden der Welt zu erhalten, als Deutschland. 
England selbst verzichtete nunmehr darauf, seine Konferenzidee weiter zu verfolgen, 
und unterstützte auch seinerseits den Gedanken der direkten Berhandlungen zwischen 
Wien und Detersburg (BSlaubuch 67). 
Diese begegneten sedoch Schwierigkeiten, und zwar Schwilerigkeiten, die nicht von 
Deutschland und Oeskerreich-ingarn, sondern von den Entente-Mächten herbeigeführt 
wurden. Aus dem französischen Gelbbuch ergibt sich, daß Frankreich keinen einzigen 
positiven Schritt im Interesse des Friedens getan hat. 
Was für eine Haltung haft England angenommen? Es ergibt sich aus dem 
Berichte des französsschen Geschäftsträgers in London vom 27. Juli (Gelsbbuch Nr. 66), 
daß schon am 24. Juli der Befehlshaber der englischen Flotte diskret seine Maßnahmen 
für die Zusammenziehung der Flotte bei Hortland getroffen hatte. Großbritannien 
hat also früher mobilissert als selbst Serbien. Zu derselben Zeit, wo England sich 
nach dem Fallenlassen seiner Konferenzidee den Anschein gab zu wünschen, daß sich 
Oeskterreich-AUngarn auf Deutschlands Vermittelung hin nachgiebig zeigen sollte, weist 
Sir Edward Greg den ösbterreichisch-ungarischen Botschafter in London auf die englische 
Flottenmobilisation hin (Blaubuch 48), gibt dem deutschen Botschafter zu verstehen, 
daß sich auch England an einem Kriege beteiligen könnte, und unterrichtet die Bot- 
schafter des Zweibundes sofort von dieser an die deutsche Adresse gerichteten Warnung, 
womit der Sieg der Kriegspartel In DPetersburg besiegelt war. 
Hätte RKußland, ohne seinerseits militarische Maßnahmen zu treffen, die Ver- 
handlungen mit Oeskerreich-Ungarn, das nur gegen Serblen mobilistert hatte, im 
Gang gehalten, so hätte die volle Aussicht auf Erhaltung des Weltfriedens bestanden. 
Statt dessen mobilisserte Kußland gegen Oeskerreich-Ungarn. 
Sir E. Grey nahm seinen Konferenzvorschlag wieder auf. Auch nach Ansicht 
des Herrn Sasanow war jetßzt der geeignete Moment gekommen, um unter dem Druck