86 Artikel 2. Die KO vom 29. März 1837.
3. Nach diesen Bestimmungen (1. und 2.) soll in allen Fällen ver-
fahren werden, in welchen künftighin, zufolge der mit benach-
barten Staaten abgeschlossenen Grenzrezesse, entweder zweifelhafte
und verdunkelte Grenzen festgestellt worden oder Gebiets-Ab-
tretungen stattgefunden haben, wobei Ich Sie, die Minister der
Justiz und des Innern und der Polizei, ermächtige, in solchen
Fällen den Zeitpunkt, mit welchem die Preußische Gesetzgebung
in das neu erworbene Gebiet eingeführt werden soll, durch ein
in die Amtsblätter der betreffenden Provinz aufzunehmendes
Publikandum zu bestimmen.“
Daß diese KO heute noch gilt, darf nicht bezweifelt werden.
Aber ihre Tragweite ist nicht so bedeutend, wie bisweilen (vgl. z. B.
Bornhak, Pr. St R. 1 242, 243) angenommen wird. Sie bezieht sich
keineswegs auf alle denkbaren Vergrößerungen des preußischen Staates,
sondern nur auf einen sachlich und örtlich beschränkten Kreis von Fällen.
Vorweg ist Nr. 1 der KO auszuscheiden, denn dort ist die Rede von
Grenzregulierungen, die „nur verdunkelte und ungewisse Grenzen fest-
gestellt haben", m. a. W. von Grenzregulierungen im Sinne von Streit-
entscheidungen, also deklarativen Akten, welche mit Gebietserwerbung
und mit Art. 2, der nur die Veränderung unstreitiger Grenzen betrifft (val.
oben Nr. 3 und 4, S. 71, 72) nichts zu tun haben. Absatz 2 und 3 der KO
befassen sich allerdings mit wirklichen Gebietserwerbungen: Nr. 2 mit den
zur Zeit des Erlasses der KO bereits perfekt gewordenen („neu abge-
treten worden"), Nr. 3 mit den künftigen; beide Absätze aber („alle
Fälle“ im Sinne von Nr. 3 sind sachlich keine anderen Fälle als die in
Nr. 1 und 2 bezeichneten) nur mit solchen, die erstens auf solchen „Grenz-
regulierungsrezessen" (Nr. 2, 3) beruhen, welche zugleich einen „Austausch“
(lberschrift der KO) in sich schließen und zweitens mit „den (damals) neu-
oder wiedereroberten Provinzen“ (Nr. 21) vereinigt werden sollen. Auf
andere Kategorien von Gebietserwerbungen kann die KO nicht bezogen
werden: nicht also z. B. auf die Eroberungen von 1866, auf den Erwerb
von Hohenzollern, Lauenburg, Helgoland, denn in allen diesen Fällen
handelte es sich weder um „Grenzregulierung"“ noch um „Austausch“, und
ebensowenig auf solche Akquisitionen, die, obwohl durch Grenzregulierung
und Austausch bewirkt, einer Provinz zugeteilt werden, welche nicht zu „den
neu-- oder wiedereroberten“ Landesteilen (worunter, im Sinne der Ent-
stehungszeit der KO nur die Erwerbungen und Rückerwerbungen von
1815 verstanden sein können) gehört. Hiermit stimmt es überein, wenn
in dem oben Nr. 8 S. 76 erwähnten Falle — Vereinigung einer von
Hamburg abgetretenen Fläche mit der Provinz Schleswig-Holstein —