Full text: Die Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat. Erster Band: Einleitung. Die Titel. Vom Staatsgebiete und Von den Rechten der Preußen. (1)

Artikel 2. Rechtszustand neu erworbener Gebiete. 89 
satz der Staatseinheit, der gewiß nicht Rechtseinheit schlechthin, wohl 
aber Verfassungseinheit fordert, Rechnung getragen wird. Das 
Verfassungsrecht muß einheitlich, das Verwaltungsrecht darf 
territorial verschieden sein: ersteres tritt in N in Kraft, soweit es nicht 
ausgeschlossen (Diktaturperiode in den neuen Provinzen und in Elsaß- 
Lothringen!), letzteres, ebenso wie die übrigen Teile der Rechtsordnung 
des annektierenden Staates (Privat-, Straf= und Prozeßrecht), nur so- 
weit es ausdrücklich eingeführt wird. Auch hierüber herrscht weit- 
gehende Ubereinstimmung, vgl. z. B. Meyer-Anschütz, vR3, Seydel, 
Stoerk, Bornhak, Fleischmann a. a. O.; abweichend nur Hubrich Ann. 
08 725 („es muß grundsätzlich beanstandet werden, wenn für einen 
Staat von einheitlicher Art die Frage zu beantworten ist, ob nicht 
gewisse Stücke seiner öffentlichen Rechtsordnung ohne spezielle Publi- 
kation in neueinverleibtem Gebiete verbindlich werden, die Entscheidung 
allgemein auf die Gegensätzlichkeit des Verfassungs- und Verwaltungs- 
rechts abzustellen"). Konform dagegen die Staatspraxis, insbesondere 
beim Erwerb von Hohenzollern und des Jadegebietes (die Verfassung wurde 
dort nicht durch Gesetz eingeführt, sondern ihr Inkrafttreten unmittelbar 
nach der Annexion als vollzogene Tatsache mittels „Besitzergreifungspatent“ 
verkündet; vgl. die Patente vom 12. März 1850, GS 295, und vom 
5. Nov. 1854, GS 593), aber auch bei den 1866er Erwerbungen, 
denn die Vürk ist in den Annexionsgesetzen von 1866 ausdrücklich er- 
wähnt, nicht weil man dies zu ihrer Einführung für notwendig hielt, 
sondern weil man sie in den neuen Provinzen noch bis zum 1. Oktober 
1867 suspendieren wollte. 
Wo das „Verfassungsrecht“ aufhört und das Verwaltungsrecht 
anfängt, kann im Einzelfalle streitig sein. Keinesfalls umfaßt das 
erstere alle öffentlichrechtlichen Bestimmungen des AL (so Hubrich 
in seinen oben mehrfach zitierten Schriften, der allerdings, wie erwähnt, 
die Unterscheidung zwischen Verfassungs-- und Verwaltungzsrecht nicht 
anerkennt und mit der „Einheit des inneren preußischen Staatsrechtes“ 
grundsätzlich auch die Einheit des Verwaltungsrechtes fordert; vgl. 
insbes. Ann. 08 725 ff.). Diese Bestimmungen des ALR sind mit- 
hin nicht ohne weiteres und schlechthin in N gültig, wie dies auch die 
Verwaltungs- und Gerichtspraxis, insbesondere die (von Hubrich Anm. 08 
662 ff., 725 ff. lebhaft bekämpfte) Rechtsprechung des RE (Zitate oben) 
und das O (vgl. 20 399, 37 442, 43 177) annimmt. Andere als 
„Verfassungs“-Normen im erörterten Sinne finden in N nur dann 
Anwendung, wenn aus ihrem Inhalt oder aus der Absicht des Gesetz- 
gebers mit Notwendigkeit hervorgeht, daß ihr Geltungsbereich sich stets
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.