100 Titel II gilt unbeschränkt für landesfremde Deutsche.
mithin auch die Grund= und Freiheitsrechte der konstitutionellen Tradition,
da diese ja — und dies gilt, wie oft hervorgehoben, auch für die „Rechte
der Preußen“ — mit dem Kreise der staatsbürgerlichen Rechte nichts
zu tun haben. Alle aus Tit. II ableitbaren Rechte sind also zunächst
und jedenfalls auch Rechte der landesfremden Reichsangehörigen in
Preußen: eine klare Rechtslage, welche Arndt, Komm. S. 63 ohne
Grund verdunkelt, wenn er meint, „tatsächlich möchten wohl alle in
Tit. II vorgeschriebenen Rechte auch den nichtpreußischen Reichs-
angehörigen zugute kommen". Diese Rechte „möchten“ nicht, sondern
müssen in Preußen auch den nichtpreußischen Deutschen zugestanden
werden, und zwar ist dies nichts bloß „tatsächliches“, sondern eine recht-
liche, reichsverfassungsmäßige Notwendigkeit. Völlig übereinstimmend
Loening, VäArch 13 27ff. Nicht ganz klar dagegen Zorn in pR3z 2 151.
Wenn es dort heißt, der (von Zorn, nicht von Roenne aufgestellte) Satz
„keines der Grundrechte gehört Nichtpreußen“" sei zugunsten des deutschen
Volkes aufgehoben durch Art. 3 RV, so ist das richtig, unrichtig aber die
daran geknüpfte Einschränkung: „im einzelnen aber bestehen auch innerhalb
des Reichsverbandes noch Verschiedenheiten, insoweit nicht die Reichs-
gesetzgebung Einheit des Rechtes geschaffen hat"“. Darin eben besteht
keine Verschiedenheit, daß die Landesgesetzgebung den landesfremden
Deutschen in bezug auf Gewährung und Versagung von bürgerlichen
Rechten, also auch von „Grundrechten“ nicht schlechter stellen darf als
den Einheimischen.
Gilt nun Tit. II auch für Nichtdeutsche, für Ausländer? Diese
Frage ist von Zorn, vR 2 150, 151, Grotefend, Preußisches Ver-
walt.-R. 1 48, im wesentlichen auch von Arndt, Komm. S. 62 verneint,
von Bornhak, Preußisches StR. 1 294 ff., Otto Mayer, Verwalt.-R. 2 455,
Loening, Vrch. 13 30, 31, sowie von v. Seydel, Bayerisches Staatsr.
1344, 350, von v. Sarwey, Württembergisches Staatsr. 1 177 Anm. 10
(die Ausführungen Seydels und Sarweys treffen auch für das preußische
Staatsrecht zu) und v. Liszt, Völkerrecht (6. A.) S. 206 dagegen grund-
sätzlich bejaht worden, während v. Frisch, Fremdenrecht (1910) 2277 f e
meint, daß sich eine allgemeine Formel dafür, welche Grundrechte den
Staatsangehörigen und welche auch Fremden zustehen, nicht auf-
stellen lasse. Für die Verneinung kann zunächst nicht die Tatsache
verwertet werden, daß die Überschrift des Titels von den Rechten
„der Preußen“ spricht. Daß die Hberschrift mit dem Inhalt des
Titels nicht in Einklang steht, ist bereits — oben S. 93 — ge-
zeigt und damit belegt worden, daß der größte Teil dieses Inhaltes
wohl Recht, nicht aber, wie die Uberschrift ankündigt, Rechte darstellt.