130 Ertikel 4. Zugänglichkeit der öffentlichen Amter für alle Befähigten.
rechtlichen Gesichtspunktes darf aus Satz 3 auch nichts zugunsten der Gleich-
berechtigung der Konfessionen entnommen werden. (A die meisten
Schriftsteller, vol. insbes. vK # 1 439 Nr. 2, 2 Zff., Schwartz, Komm. S. 56).
Es erübrigt sich daher in diesem Zusammenhange, auf die ausführlichen
Erörterungen bei vRz a. a. O. einzugehen. Wenn, wie dort (S. 10ff.)
anschaulich geschildert wird, die Staatsregierung in der sog. Reaktions-
zeit die Juden von der Anstellung in vielen Zweigen des Staatsdienstes
generell und ausdrücklich durch Ministerialreskripte ausschloß, so handelte
sie der Verfassung zuwider, aber nicht dem Artikel 4, sondern dem
Artikel 12. Vgl. unten, bei Art. 12 220, 221.
Die praktische Bedeutung des dritten Satzes als Beschränkung des
Anstellungsrechts der Staatsregierung darf nicht Überschätzt werden. Denn
das Recht der anstellenden Staatsorgane, vorab des Königs und der Minister,
auf freie Auswahl unter denen, die, nach Erfüllung der vorgeschriebenen
Bedingungen, insbesondere nach Lieferung des Befähigungsnachweises,
sich zum Eintritt in den Staatsdienst erbieten, ist durch Satz 3 nicht
im mindesten angetastet worden. Die gleichmäßige Zugänglichkeit der
öffentlichen Amter gibt allen Befähigten das gleiche Recht, sich um die
Amter zu bewerben, keinem der Bewerber aber den Anspruch, erhört
zu werden. Ein Recht auf Anstellung im Staatsdienst kennt das deutsche
und insbesondere das preußische Staatsrecht nicht. Hierüber hat auch
in der Praxis und Wissenschaft niemals ein Zweifel bestanden; aus
der ersteren vogl. die Bemerkungen des Justizministers im Hd Abg, Sten.
Ber. 1896 S. 1985 und 1901, aus der letzteren Meyer-Anschütz 506,
v'vR 1 47, 2 11, Rosin in der DJZ XII 845ff. Nur in parlamen-
tarischen Debatten (auch in denen, welchen die zitierten Bemerkungen
des Justizministers angehören) ist gelegentlich der Versuch gemacht
worden, aus Art. 4 Satz 3 für die einzelnen Individuen Ansprüche auf
Berücksichtigung oder Beschwerderechte wegen Nichtberücksichtigung ihrer
Wünsche betreffs Erlangung öffentlicher Amter herzuleiten. Derartige
Versuche laufen sämtlich auf Mißverständnisse hinaus. — Zu den
Mißverständnissen gehört es wohl auch, wenn Arndt, Komm. S. 80
sagt: „da Artikel 4 nur auf Preußen Anwendung findet, braucht man
Nichtpreußen nicht als preußische Staatsbeamte anzustellen“. Art. 4
findet auch auf Nichtpreußen Anwendung und anzustellen „braucht man"“
auch Preußen nicht!
. „Offentliche“ Amter im Sinne des dritten Satzes sind die Amter
des unmittelbaren und des mittelbaren Staatsdienstes, also — da bei
dem Worte „Amter"“ nicht nur an Behörden und Beamte gedacht werden
darf — alle öffentlichen Organschaften einschließlich die der Selbstver-