Full text: Die Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat. Erster Band: Einleitung. Die Titel. Vom Staatsgebiete und Von den Rechten der Preußen. (1)

Artilel 5. Die persönliche Freiheit. 133 
welche die Notwendigkeit, auch die polizeiliche Verwahrung und Be- 
aufsichtigung zu regeln, anerkennt und die Regelung selbst dem besonderen 
Gesetze offen läßt“. Als geeignet schlug der ZAussch die Gesetz gewordene 
Formulierung des zweiten Satzes vor; sie wurde in der I. wie in der 
II. Kammer unverändert angenommen, wobei letztere die Bedenken ihrer 
Kommission (bei der Weite des Ausdrucks „Beschränkung der persönlichen 
Freiheit“ könne der zweite Satz auch auf die den Eltern und Lehrern 
zustehende Befugnis, die persönliche Freiheit ihrer Kinder und Schuler 
zu beschränken, bezogen werden und auch in Betreff dieser Beschränkungen 
ein besonderes Gesetz in Aussicht zu stellen scheinen) sich nicht aneignete. 
2. Die so zustande gekommenen Anderungen scheinen größer als 
sie find. Zunächst ist auf die Ausschaltung des „allen Staatsbürgern“ 
kein Gewicht zu legen. Der formale Grundsatz, welcher das Wesen der 
persönlichen Freiheit ausmacht und der alles als erlaubt erscheinen läßt, 
was die Gesetze nicht verbieten, gilt, wie oben S. 102 f. des näheren 
ausgeführt, territorial, also gleichmäßig für die Inländer und Ausländer. 
Es handelt sich hier, soweit überhaupt um Rechte, um Menschen-, nicht 
um Bürgerrechte. So wenig die Reg Vorl, wenn sie in ihrem & 7 aus- 
drücklich nur verbot, den „Staatsbürger“ seinem ordentlichen Richter zu 
entziehen, der Regierung gestatten wollte, den Fremden seinem Richter 
zu entziehen und Willkür gegen ihn statt Justiz zu üben, ebensowenig 
berechtigt die ursprüngliche Fassung des Artikels 5 Satz 1 zu einem 
anderen Schlusse als zu dem, daß der Gesetzgeber, alsbald sich verbessernd, 
etwas gesagt hatte, was er nicht hat sagen wollen und was zu sagen 
ungéheuerlich und ungereimt gewesen wäre. Jedenfalls ist durch die 
geltende Gestaltung des ersten Satzes klargestellt, was von Anfang an 
so gemeint war: die Unterwerfung unter die preußische Staatsgewalt 
bedeutet für den Ausländer nicht Verlust der persönlichen Freiheit. 
3. Die persönliche Freiheit. — Bei dem ersten Satze fragt es sich, 
was hier gewährleistet itt und wem gegenüber es gewährleistet ist. Die 
erste Frage ist durch die bisherigen Bemerkungen schon beantwortet. 
„Persönliche" Freiheit ist (im Gegensatz zur „politischen“, welche als 
„Freiheit im Staat“ den Anteil des Staatsbürgers an der Bildung des 
Staatswillens in sich begreift) Freiheit vom Staat: sie ist, als solche, 
kein Recht, sondern ein Status, kraft dessen der einzelne nicht nur tun 
darf, was ihm das Gesetz erlaubt, sondern alles, was ihm kein Gesetz 
verbietet. Freiheit in diesem Sinne ist nicht durch das konstitutionelle 
System spezifisch bedingt, überhaupt nicht Eigenheit oder Folge einer 
bestimmten Staatsform. Sie war — als formelles Prinzip — schon unter 
dem Absolutismus in ihrer Art vorhanden, insbesondere in Preußen
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.