148 Artilel 7 und GVG t 16.
verhängt werden“ (II. K. 492, 493). Indem die andem beiden Faktoren
sich der II. K. anschlossen, (I. K. 1197, 1340) entstand die geltende Fassung
des 7. und 8. Artikels der Verfassung.
2. Auslegung. — I. Art. 7 ist, soweit er sich auf die ordentliche
streitige Gerichtsbarkeit und jede andere reichsgesetzlich geregelte Rechts-
pflege bezieht, also in der Hauptsache, durch inhaltlich übereinstimmende
Vorschriften des Reichsrechts ersetzt und insofern aus dem Bestande des
preußischen Verfassungsrechts ausgeschieden. Die betreffenden Vorschriften
stehen im § 16 des GG und lauten:
„Ausnahmegerichte sind unstatthaft. Niemand darf seinem ge-
setzlichen Richter entzogen werden.“
Sie decken sich mit Art. 7 vollständig, da die in diesem Artikel noch
besonders genannten „außerordentlichen Kommissionen“ nichts andres sind
als Ausnahmegerichte und daher durch das allgemeine Verbot der Aus-
nahmegerichte mitgetroffen werden. Soweit hiernach der Inhalt des
Art. 7 zu Reichsrecht geworden, ist der Landesstaatsgewalt eine unüber-
steigliche Schranke errichtet und wäre die Einsetzung von Ausnahmegerichten
selbst durch verfassungänderndes Landesgesetz unmöglich. Für die landes-
gesetzlich geregelten Arten und Zweige der Gerichtsbarkeit, z. B. Ver-
waltungs- und Disziplinargerichtsbarkeit, steht Art 7 noch in Geltung.
Die Möglichkeit, bei erklärtem Kriegs-(Belagerungs-) Zustande unter
Außerkraftsetzung des Art. 7 die ordentlichen „gesetzlichen Richter“ durch
außerordentliche, d. h. durch Kriegsgerichte zu ersetzen — Art. 111 — ist
auch unter der Herrschaft des Reichsrechts durch GVG 5F 16 Satz 3 ge-
wahrt worden. Dieser Satz lautet: „Die gesetzlichen Bestimmungen
über Kriegsgerichte und Standrechte werden hiervon (von dem Prinzip
der beiden voraufgehenden Sätze, s. oben) nicht berührt.“
II. Die Bedeutung des Art. 7 bzw. der an seine Stelle getretenen
gleichlautenden Sätze des GVG F 16 ist eine positive und eine negative.
Im ersteren Sinne genommen sagt der Artikel: jedermann hat gegen
den Staat den Anspruch auf Rechtsschutz, zu gewähren von den Organen
und in den Formen, welche das Recht des Landes bestimmt. Diesem
positiv gearteten subjektiven Recht (Rechtsschutzanspruch, vgl. oben
S. 90) steht gegenüber die — durch die Fassung „niemand darf“ usw.
stärker als die positive betonte — negative Seite der Bestimmung,
derzufolge jeder ein Recht darauf hat, daß von den Normen der Gerichts-
verfassung und des Prozesses nicht abgewichen und auch sonst jeder Eingriff
in die Herrschaft dieser Normen unterlassen wird. Die Einreihung des
Art. 7 unter die „Rechte der Preußen“ bedeutet und beweist, daß Gerichts-
verfassung und Prozeßrecht nicht als rein organisatorische Vorschriften,