Full text: Die Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat. Erster Band: Einleitung. Die Titel. Vom Staatsgebiete und Von den Rechten der Preußen. (1)

162 Artikel 9. Eigentum und Polizei. 
eines gehörig verkündeten Landesgesetzes dem preußischen Richter nach 
Art. 106 nicht zustehe. — 
Das Prinzip der gesetzmäßigen Verwaltung fordert für jeden 
Verwaltungsakt, der in Freiheit und Eigentum eingreift, eine gesetzliche 
Ermächtigung. Damit ist, wie oben bei Art. 5 S. 140, 141 ausgeführt, nicht 
gesagt, daß es immer ein den fraglichen Eingriffsfall ausdrücklich vor- 
sehendes konstitutionelles Spezialgesetz sein muß, auf welches die Ver- 
waltung sich zu beziehen hat. Auch ein allgemeiner Rechtsgrundsatz 
wie die Umschreibung des „Amtes der Polizei“ durch § 10 II 17 AL 
ist „Gesetz“ im Sinne jenes Prinzips; er ist es dem Privateigentum 
gegenüber nicht minder wie (Art. 5 S. 140) der persönlichen Freiheit. Die 
freie Gebarung mit dem Eigentum unterliegt der polizeilichen Ein- 
wirkung rechtlich in demselben Maße wie der Gebrauch der persönlichen 
Freiheit überhaupt. Die Möglichkeit, Sachgüter zu haben, zu besitzen, 
zu verwalten, zu benutzen, ist, wie jede individuelle Freiheit, rechtlich 
beschränkte Freiheit. Unter den Beschränkungen, welche ihr von vorn- 
herein auferlegt sind, erscheinen mit an erster Stelle die polizeirechtlichen: 
wie jedermann seiner persönlichen Handlungs- und Bewegungsfreiheit 
sich nur so bedienen darf, daß dadurch den polizeilicherseits zu schützenden 
Interessen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung kein Eintrag geschieht, 
so muß er auch den Gebrauch seiner Eigentumsfreiheit entsprechend 
einrichten. Der Eigentümer einer Sache hat, um mit dem O zu 
reden, die Pflicht, sein Eigentum jederzeit in polizeigemäßem Zustande 
zu erhalten und so zu gebrauchen, daß Polizeiwidrigkeiten (Störungen 
der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, z. B. Gefährdung des Lebens 
oder der Gesundheit anderer) vermieden werden. Ob und inwieweit 
neben dem Eigentümer oder statt seiner andere, z. B. der Nießbraucher, 
Pächter, der Urheber des polizeiwidrigen Zustandes, der Polizei gegen- 
über gleichartig verpflichtet sind, ist eine Frage für sich, die hier nicht 
erörtert werden kann. Der dieser Pflicht zugrundeliegende Satz des 
öffentlichen Rechtes ist vornehmlich durch die Rechtsprechung des OVG 
aufgestellt und in seinen Einzelheiten entwickelt worden. So wurden, 
um aus der reichhaltigen Judikatur nur einige Hauptbeispiele heraus- 
zugreifen, unter Berufung auf jenen Satz für rechtsgültig erklärt: Ver- 
fügungen, mittels deren die Polizeibehörde von dem Eigentümer die 
Zuschüttung eines stagnierenden und daher gesundheitsschädlichen Teiches 
verlangte (7 348), die Beseitigung von Ofenklappen, welche den Abzug 
des Rauches verhindern, forderte (8 327), die Schließung von Brunnen 
mit gesundheitsschädlichem Wasser anordnete (Pr VBl. 19 342), dem Eigen- 
tümer verbot, sein Grundstück mit Stacheldraht in einer die Vorüber-
	        
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