172 Artikel 9. Entschädigung für nicht expropriative Eingriffe.
der staatlichen Militärhoheit (man denke an Kriegsschäden, ferner an
Flur- und Jagdschäden, welche durch Truppenübungen verursacht werden),
der Strafjustiz (Verurteilungen und Verhaftungen, die sich hinterher als
Fehlgriffe erweisen), der Polizeigewalt (Beispiele oben Nr. 5 S. 162, 163),
bei öffentlichen Arbeiten und Bauten (Schädigung der Anlieger durch
Straßenbauten, der Schiffahrt und Fischerei durch Strombauten), haben
mit dem durchaus spezifisch gearteten, festbegrenzten Institut der Ent-
eignung nichts zu tun, sie sind nichts ihr Gleiches oder Ahnliches, sondern
etwas anderes. Es wäre ein Verstoß wider anerkannte Grundsätze der
Rechtsanwendung; nicht Analogie, sondern ein Schluß vom minus auf
das maius, wenn man aus den Enteignungsgesetzen und ihrer Verfassungs-
grundlage, Art. 9 Satz 2, Entschädigungsansprüche herleiten wollte in
Fällen, die weder formell noch materiell Enteignung sind. Gleichwohl
sind Verstöße dieser Art in der Literatur und Rechtsprechung nicht ganz
selten; vgl. die bei Anschütz, VArch 5 35, Nr. 26 angeführten Erkenntnisse
und R6, Zivils. 41 142 (wo die Schädigung eines Fischereirechts durch
öffentliche Strombauten unpassenderweise mit der Enteignung gleichge-
stellt wird). Darüber und dagegen: Anschütz a. a. O. und 66.
12. Eben deshalb, weil aus Art. 9 Satz 2 für die Frage des öffentlich-
rechtlichen Ersatzanspruchs aus Vermögensbeschädigungen durch recht-
mäßige Ausübung der Staatsgewalt außerhalb des Enteignungsrechts
nichts zu entnehmen ist, besteht für die Erklärung der Stelle streng-
genommen keine Veranlassung, darauf näher einzugehen. Zur allgemeinen
Orientierung werden folgende Bemerkungen genügen.
Jene Frage ist in der neueren Literatur des öffentlichen und
Privatrechts vielfach erörtert worden, ohne daß es doch dabei zu der
erwünschten Einigung der zum Teil weit auseinandergehenden Ansichten
gekommen wäre. Meine Auffassung des Problems habe ich, namentlich
vom Standpunkt des gemeinen deutschen und des preußischen Rechts
ausführlich dargelegt in den oben öfters zitierten Studien Vürch 5 1ff.,
die, unter ihrem Titel „der Ersatzanspruch aus Vermögensbeschädigungen
durch rechtmäßige Handhabung der Staatsgewalt“ auch besonders er-
schienen sind (1897). Von sonstigen Bearbeitungen der Materie sind
zu nennen: Otto Mayer, Verw 2 345ff., Derselbe, die Entschädigungs-
pflicht des Staates nach Billigkeitsrecht (1904), Derselbe, Art. Ent-
schädigungspflicht des Staates im WSt VR, Fleiner, Instit. des deutschen
Verwaltungsrechts 239ff., sowie die oben mehrfach (z. B. S. 166, 170, 171)
angeführten Arbeiten von Walz, Rehm, Fleischmann, v. Stengel, Molitor.
Für das preußische Recht sind außerdem noch zu vergleichen Biermann
a. a. O. 183 f., „RZ 2 218, Oppenhoff a. a. O. 55 ff., 335 ff., Stoelzel,