Full text: Die Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat. Erster Band: Einleitung. Die Titel. Vom Staatsgebiete und Von den Rechten der Preußen. (1)

Art. 11. Die Auswanderungsfreiheit und ihre Schranken vor der Verf. 179 
(G. v. 3. Sept. 1814, GS 79) die Gesetzgebung keinen Zweifel darüber, 
daß dieser wichtigsten staatsbürgerlichen Pflicht durch das Auswandern 
kein Abbruch geschehen dürfe. So erscheinen in der V. wegen Auf- 
hebung des Edikts vom 2. Juli 1812 und wegen der Auswanderungen 
überhaupt, vom 15. September 1818 (GS 175), Ziff. 5, unter den Per- 
sonenkategorien, denen die Auswanderungserlaubnis nicht erteilt werden 
darf, das Auswandern also untersagt ist, an erster Stelle die jungen 
Männer im Alter von 17—25 Jahren, „welche nicht ein Zeugnis der 
Kreisersatztommission beibringen können, daß sie nicht bloß in der Absicht 
auswandern, um sich der Militärpflicht im stehenden Heere zu entziehen“. 
Freilich beruhte die V. vom 15. September 1818 auch sonst nicht auf 
dem Grundsatz der Auswanderungsfreiheit (wie vR3# 2 200 irrigerweise 
annimmt). Zwar stellt sie diesen Grundsatz mit den Worten: „Alle Aus- 
wanderungen sind künftighin unter den nachstehenden Bedingungen frei- 
gegeben“, an die Spitze ihrer Vorschriften, aber die „nachstehenden Be- 
dingungen“ verkehren das Freiheitsprinzip in sein Gegenteil, indem für 
jeden einzelnen Auswanderungsfall nicht nur das „Vorwissen“ (womit 
das A##N II 17 8 127 sich begnügte), sondern auch die „Erlaubnis“ der 
zuständigen Staatsbehörde (Bezirksregierung) verlangt und letztere niemals 
verpflichtet, vielmehr nur „ermächtigt“ war, die Auswanderungserlaubnis 
zu erteilen (V. v. 1818, Ziff. 4), wofern nicht eines der angegebenen 
Hindernisse (Ziff. 5) vorlag, welche die Erteilung ausschlossen. In Wahr- 
heit ist — nicht formell und ausdrücklich, aber dem Sinne und der Sache 
nach — die Auswanderungsfreiheit erst hergestellt worden durch das 
Gesetz über die Erwerbung und den Verlust der Eigenschaft als 
Preußischer Untertan, sowie über den Eintritt in fremde Staatsdienste 
vom 31. Dezember 1842 (GS 1843, 15). Dies Gesetz ist zwar, wie 
sein Name zeigt, kein Gesetz über das Auswanderungswesen, sondern 
eines über Erwerb und Verlust der Staatsangehörigkeit; indem es aber 
den Austritt aus dem Staatsverband — die „Entlassung auf Antrag 
des Untertans“ — erschöpfend regelt (vgl. ös 16ff. des G.), regelt es 
implicite auch den Austritt aus dem Staatsgebiet. Dadurch, daß dieses 
Gesetz erstmalig einen Rechtsanspruch auf Entlassung aus der Staats- 
angehörigkeit gibt und von diesem Anspruch nur diejenigen ausschließt, 
gegen deren Ausbürgerung und Auswanderung Gründe der Wehr- 
pflicht (und Beamtendienstpflicht) sprechen — Gründe, deren Formu- 
lierung der V. vom 15. September 1818 Ziff. 5 nachgebildet und für 
das heute geltende Recht, BG über die Erwerbung und den Verlust 
der Bundes- und Staatsangehörigkeit vom 1. Juni 1870, F 15, vor- 
bildlich gewesen ist — hat es das nachmals durch Art. 11 Abs. 1 aus- 
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