182 Artikel 11 und die Reichsgesetzgebung.
zwischen Ausbürgerung und Auswanderung ist besonders klar aus §& 18
Abs. 2 des B ersichtlich; es ergibt sich daraus, daß die Ausbürgerung
aus dem Reich überhaupt nur bewilligt wird zum Zwecke der Auswande-
rung aus dem Reich: „Die Entlassung wird unwirksam, wenn der Ent-
lassene nicht binnen sechs Monaten vom Tage der Aushändigung der
Entlassungs-Urkunde an seinen Wohnsitz außerhalb des Bundesgebietes
verlegt", — also auswandert. Und aus Stre B §s 140 und 360 Nr. 3
folgt e contrario, daß in allen anderen Fällen außer den dort mit
Rücksicht auf die Wehrpflicht verbotenen das Auswandern erlaubt ist.
Insoweit also ist Art. 11 Abs. 1 von der Reichsgesetzgebung über-
nommen und damit aufgehoben. Die Aufhebung ist aber keine ganz
vollständige. Da nämlich die aufhebenden Bestimmungen des St.-Ang.=
Gesetzes vom 1. Juni 1870 und des Str# sich nur auf Wehrpflichtige,
also auf Deutsche beziehen, so betreffen sie auch nur die Auswande-
rungsfreiheit der Deutschen und decken bzw. beseitigen das Landrecht
lediglich, soweit dieses vom Auswandern der Inländer handelt, lassen es
aber unberührt, soweit es das Wiederauswandern eingewanderter Aus-
länder beschränkt. Für Preußen ist die damit berührte Frage gegen-
standslos, da hier Landesgesetze, welche den im Staatsgebiete wohnenden
oder aufhältigen Ausländern das Verlassen des Staatsgebietes untersagen,
nicht bestehen. (Das ALR II 17 S§8 131ff. hatte Bestimmungen dieser Art,
sie sind aber durch Art. 11 aufgehoben.)
II. Wie die Landesgesetze das Auswandern der Inländer nicht mehr
formell beschränken können, so dürfen sie es auch nicht materiell und
faktisch erschweren. Und insoweit ist der Inhalt auch des zweiten Ab-
satzes des Artikels nicht mehr preußisches, sondern Reichsrecht.
Die Erhebung von Abzugsgeldern bei Überwanderung aus einem
Bundesstaat in den andern würde schon durch RV Art. 3 ausgeschlossen
sein. Handelt es sich aber um Ausbürgerung und Auswanderung aus
dem Reich, so darf hierfür, bei Erteilung der Entlassungsurkunde, gemäß
RG vom 1. Juni 1870, 5 24 Abs. 2, „an Stempelabgaben und Ausfer-
tigungsgebühren zusammen nicht mehr als höchstens Ein Taler erhoben
werden“. Durch diese höchstenfalls zulässige Dreimarkgebühr sind alle
andern und höheren gebühren= oder steuerartigen Abgaben, welche die
Ausbürgerung und Auswanderung belasten, also auch die Abzugs- oder
Abfahrtsgelder, implicite aufgehoben und ihre Ein= oder Wiedereinführung
reichsgesetzlich verboten.
III. Art. 11 und die in Nr. 2 erwähnten Reichsgesetze betreffen nur
die Auswanderungsfreiheit der Personen, nicht des Kapitals. Sie
lassen mithin das Recht des Staates, den Kapitalabfluß nach dem Aus-