Full text: Die Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat. Erster Band: Einleitung. Die Titel. Vom Staatsgebiete und Von den Rechten der Preußen. (1)

186 Artikel 12. Die rechtliche Stellung der Juden vor der Verfassung. 
Unabhängigkeit jener Rechte (staats bürgerliche Rechte waren dem Ab- 
solutismus seiner Natur nach unbekannt) von dem Bekenntnis. Aller- 
dings mit einer sehr einschneidenden Ausnahme: sie betraf die Juden. 
Deren Stellung war auch im Staate Friedrichs des Großen keine bessere 
als irgendwo anders in damaliger Zeit. Sie standen durchweg unter 
einem „kümmerlichen und kündbaren Fremdenrecht“ (E. v. Meier, 
Französische Einflüsse auf die Staats- und Rechtsentwicklung Preußens 
im 19. Jahrh. 2 459), welches, auf provinziellen und sonstigen besonderen 
Normen beruhend, vom A###n unberührt gelassen war. 
Der letzterwähnte Punkt, die privilegia odiosa der Juden, ist der 
einzige von Wesentlichkeit, in dem das Religionsrecht des alten Staats- 
wesens während der ersten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts abgeändert 
worden ist. Es geschah dies, nach einigen Anläufen zur Zeit Fried- 
rich Wilhelms II. (E. v. Meier a. a. O. 464 ff.), durch das der Harden- 
bergschen Reformperiode angehörige Edikt, betreffend die bürgerlichen Ver- 
hältnisse der Juden in dem Preußischen Staate vom 11. März 1812 
(GS 17). Die durch dieses Edikt bewirkte „Judenemanzipation" bestand 
darin, daß die jüdischen Bewohner des Staatsgebietes, sofern sie mit Schutz- 
briefen, Konzessionen oder anderen Privilegien versehen waren (sog. Schutz- 
juden —, auf andere als diese bezog sich das Edikt nicht), für „Einländer 
und Preußische Staatsbürger“ erklärt wurden (§ 1 des Ed.), die aller 
bürgerlichen Rechte und Freiheiten in demselben Maße teilhaftig sein sollten 
wie die Christen, soweit das Edikt nicht ein anderes bestimmte. Auch zu 
„akademischen Lehr-, Schul- und Gemeindeämtern“ sollten die Juden 
sortab zugelassen werden können (§8§ 7, 8). Auf die 1815 neu- und 
wiedererworbenen Landesteile wurde das Judenedikt von 1812 nicht 
ausgedehnt, so daß es dort bei den geltenden partikularen Bestimmungen 
verblieb und eine starke Verschiedenheit des Rechtszustandes eintrat, 
welche erst durch das G. über die Verhältnisse der Juden vom 23. Juli 
1847 (GS 263) wieder beseitigt worden ist. Das G. vom 23. Juli 1847 
beruht, was Art und Maß der Emanzipation betrifft, auf dem näm- 
lichen Grundsatz wie das Edikt von 1812: Gleichstellung in den bürger- 
lichen Rechten mit den Christen, „soweit dieses Gesetz nicht ein anderes 
bestimmt“. Es geht insofern über die Linie des Edikts von 1812 hinaus, 
als es die Juden nicht nur zu Gemeinde-, sondern auch zu Staats- 
ämtern zuläßt, zu beiden Kategorien freilich nur, soweit mit dem betreffen- 
den Amte „die Ausübung einer richterlichen, polizeilichen oder exekutiven 
Gewalt nicht verbunden ist“, — weicht aber andererseits dahinter zurück, 
als z. B. gewisse akademische Lehrfächer und Amter den Juden wieder 
verschlossen wurden (vgl. 8 2 d. G.; vRZ 2 10 Nr. 3). Von den durch
	        
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