Full text: Die Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat. Erster Band: Einleitung. Die Titel. Vom Staatsgebiete und Von den Rechten der Preußen. (1)

188 Artikel 12. Entstehungsgeschichte. 
der NatVers (Art. 18) hat hieran folgendes geändert: er streicht die 
Beschränkung der Religionsfreiheit auf den Kreis der „Staatsbürger“, 
hierdurch diese Freiheit, in voller Übereinstimmung mit dem ALR (welches, 
vgl. II 11 § 1, 2, 10, oben S. 184, nicht sowohl den Untertanen als 
vielmehr allen „Einwohnern des Staates“ Glaubensfreiheit zugesichert 
hatte) zu dem erklärend, was sie ist, nämlich zu einem Menschen--, 
nicht Bürgerrecht; — er stellt die bürgerlichen und staatsbürgerlichen 
Rechte unabhängig nicht nur „von dem religiösen Bekenntnisse“, sondern 
auch von „der Teilnahme an irgend einer Religionsgesellschaft“, hier- 
mit außer Zweifel setzend, daß auch die innerliche wie äußerliche 
Religionslosigkeit fortab keinerlei bürgerliche oder politische Rechts- 
minderung im Gefolge haben solle; — er verallgemeinert ferner die 
staatspolitischen Beschränkungen der Religionsfreiheit dahin, daß durch 
den Gebrauch dieser Freiheit „den bürgerlichen und staatsbürgerlichen 
Pflichten kein Abbruch geschehen dürfe“; — er fügt endlich zwischen 
die Worte „gemeinsamer“ und „Religionsübung“ ein: „öffentlichen“, 
wodurch der immerhin möglichen, engen Auslegung des Ausdruckes 
„gemeinsame Religionsübung“ im Sinne von „Privatgottesdienst“ (exer- 
citium religionis privatum) vorgebeugt war. 
Der wie vorstehend gefaßte Artikel wurde von der oktr V, Art. 11, 
nochmals verändert und, wie man zugestehen muß, verbessert. Der 
Artikel erscheint hier schon in einer Gestalt, welche von der geltenden 
materiell nicht abweicht. Die oktr V stellt, systematisch richtig, die 
Gewähr der (individuellen) Bekenntnisfreiheit voran, fügt die, bis 
dahin noch nicht ausdrücklich anerkannte Freiheit der Vereinigung zu 
Religionsgesellschaften hinzu (hierbei auf die allgemeinen Garantien 
der Assoziationsfreiheit verweisend) und gibt, in Ubereinstimmung mit 
der KommEntw der Nat Verf jeder sich neu bildenden Religionsgesell- 
schaft als verfassungsmäßiges Recht das volle Ausmaß der Kurltusfrei- 
heit, das exercitium religionis publicum. Hieran hat die Revision 
noch zwei Anderungen angebracht, von denen die eine sachlich so be- 
deutungslos ist wie die andere. Die eine bestand darin, daß (auf 
Anregung des Zaussch der I. K., I. K. 9834) zwischen die Worte „ge- 
meinsamen“ und „Söffentlichen“ eingeschaltet wurde: „häuslichen und“. 
Die damit ausgesprochene Sicherstellung des häuslichen Gottesdienstes 
war überflüssig, denn — worauf der Ber der RevKomm, II. K. 1080 
zutreffend hinweist — die häusliche Religionsübung ist als ein Minderes 
in der ausdrücklich gewährleisteten öffentlichen als dem Mehreren in- 
begriffen. Das andere Amendement sollte sich ursprünglich, nach 
den Vorschlägen der Kommissionen (vgl. ZAussch I. K. 934, Rev Komm
	        
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