Full text: Die Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat. Erster Band: Einleitung. Die Titel. Vom Staatsgebiete und Von den Rechten der Preußen. (1)

Artikel 12. Entstehungsgeschichte. 189 
II. K. 1080, 1081) auf die Weglassung des Eigenschaftswortes „irgend“ 
in dem Passus „und der Teilnahme an irgend einer Religions- 
gesellschaft“ beschränken. Die Plenarversammlungen beider Rev.= 
Kammern strichen indessen, hierüber hinausgehend, den ganzen Passus. 
Die Streichung darf nicht mißverstanden werden. Sie wollte nicht sagen, 
daß der Genuß der bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte zwar un- 
abhängig von dem religiösen Bekenntnisse, oder abhängig von der „Teil- 
nahme an irgend einer Religionsgesellschaft“ sei, daß m. a. W. jene 
Rechte zwar nicht durch das Haben eines Glaubens, wohl aber durch die 
Zugehörigkeit zu einer Kirche bedingt seien, — sondern beruhte auf 
der Meinung, daß jener Passus, jedenfalls aber das Wort „irgend“ 
peine gewisse Indifferenz gegen die Religion an den Tag zu legen 
und das Bekenntnis der Religionslosigkeit zu provozieren scheine, was 
nicht nur unnötig, sondern schädlich und daher zu vermeiden sei“ 
(ZAussch I. K. 934); daß der Passus möglicherweise eine Aus- 
legung finden könne, „wonach die Indifferenz im Punkte der Religion 
und religiösen Gemeinschaft vom Staate, wenn nicht mit Gunst, so 
doch mit Gleichgültigkeit angesehen würde“ (Rev Komm II. K. 1080). 
Die Verhandlungen in beiden Kammern (I. K. 935—961, II. K. 
1085—1140) lassen keinen Zweifel darüber, wie man allseits darüber 
einverstanden war, daß die bedingungslose Unabhängigkeit der bürger- 
lichen und politischen Rechte von dem Glaubensbekenntnis in der 
Konsequenz des Prinzips der Glaubensfreiheit liege, daß sonach ein 
bestimmtes Bekenntnis oder überhaupt ein „Bekenntnis“, sei es im 
Sinne einer wirklich bestehenden inneren Glaubensüberzeugung, sei es 
im Sinne äußerlicher Zugehörigkeit zu einer Glaubensgesellschaft staats- 
seitig niemals zur Bedingung für den Besitz bürgerlicher oder politischer 
Rechte gemacht werden dürfe. Die in Rede stehende Streichung hat 
also eine bürgerliche Benachteiligung derer, die, gleichviel aus welchen 
Beweggründen, „an irgend einer Religionsgesellschaft“ nicht teilnehmen, 
weder beabsichtigt, noch bewirkt; vgl. hierzu die Ausführungen des 
Ministers v. Ladenberg, II. K. 1129, 1130, 1137, des Abg. v. Bodelschwingh, 
das. 1132, namentlich aber den Satz Reichenspergers (II. K. 1100): 
„Es ist nicht bloß die Freiheit der Religion, wonach Jahrhunderte 
hindurch vergeblich gerungen ward, sondern sogar die Freiheit von 
jeder Religion, also die Religionslosigkeit für ein Grundrecht der 
preußischen Staatsbürger erklärt worden.“ Ubereinstimmend Fürstenau, 
Religionsfreiheit 198 Anm. Hervorzuheben ist noch, daß Anträge, 
welche bezweckten, den Grundsatz der Unabhängigkeit der bürgerlichen 
und staatsbürgerlichen Rechte und Fähigkeiten von dem Glaubens-
	        
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