Full text: Die Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat. Erster Band: Einleitung. Die Titel. Vom Staatsgebiete und Von den Rechten der Preußen. (1)

198 Artikel 12. Freiheit der Vereinigung zu Religionsgesellschaften. 
Art. 29 genannt werden müssen, da dieser letztere Artikel für die Ver- 
sammlungsfreiheit dasselbe ist, wie Art. 30 für die Vereinsfreiheit 
und die Freiheit der religiösen Versammlungen sicherlich in eben dem 
Maße den allgemeinen Grundsätzen unterstellt werden sollte wie die 
Freiheit der Bildung von Religionsgesellschaften. Statt dieser, für 
Überflüssig gehaltenen Erwähnung zitiert nun aber der Text den Art. 31 
(= oktr V Art. 29), welcher lautet: „Die Bedingungen, unter welchen 
Korporationsrechte erteilt oder verweigert werden, bestimmt das Ge- 
setz."“ Die (schon in der oktr V, Art. 11, enthaltene) Bezugnahme auf 
diesen Artikel kann, wörtlich genommen, nichts anderes bedeuten als 
daß die Religionsgesellschaften nicht nur in vereins- und versammlungs- 
polizeilicher Hinsicht, sondern auch in bezug auf die Möglichkeit, die 
Korporationsrechte (die „Rechtsfähigkeit“ im Sinne des BGB) zu er- 
langen, den anderen Gesellschaften und Vereinen gleichgestellt, mithin 
dem zukünftigen allgemeinen Gesetz über den Erwerb der Korporations- 
rechte — Art. 31 —, und, solange dieses noch nicht ergangen, den 
diesbezüglichen bestehenden Vorschriften unterworfen sein sollten. In 
der Tat ist dies ursprünglich die Absicht des Gesetzgebers gewesen, 
welche aber späterhin, bei der Revision des Artikels, aufgegeben 
worden ist, ohne daß man es für erforderlich hielt, die nunmehr 
unrichtig gewordene Bezugnahme auf Art. 31 zu streichen. Der 
Gedanke, die Religions- und geistlichen Gesellschaften hinsichtlich des 
Erwerbs der Korporationseigenschaft einem Sonderrecht zu unter- 
stellen, taucht zuerst in den Verhandlungen der I. K. auf, welche ihn 
in Gestalt des nachmaligen Art. 13 sormulierte und den anderen 
Faktoren gegenüber durchsetzte (vgl. unten bei Art. 13 S. 235, 236). 
Damit war bestimmt, daß für die Frage des Erwerbs der Korpo- 
rationsrechte das allgemeine Recht — das im Art. 31 verheißene 
Gesetz — nicht, sondern ein Sonderrecht gelten solle, derart, daß 
Religions- (und geistliche) Gesellschaften die Korporationsrechte nur 
durch besondere Akte der Gesetzgebung sollten erlangen können. Dies 
ist geltendes Recht geworden und, kraft des Vorbehaltes im E#BGB 
Art. 84, bis heute geblieben (vgl. unten S. 237). Wenn man das 
Allegat des Art. 31 im Art. 12 trotzdem stehen ließ, so war dies 
kein Versehen, sondern ein Fehlgriff, den man (vgl. Ber des Zentral- 
aussch., I. K. 1941 und dazu vR 2 163 Nr. 2) begehen zu dürfen 
glaubte, weil er „nicht von Erheblichkeit“ sei. Jedenfalls war er un- 
schädlich. 
Die durch Art. 12 gewährte Assoziationsfreiheit bezieht sich auf 
die Bildung von „Religionsgesellschaften“.
	        
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