Full text: Die Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat. Erster Band: Einleitung. Die Titel. Vom Staatsgebiete und Von den Rechten der Preußen. (1)

Artikel 12. Religionsgesellschaft, Kirchengesellschaft, geistliche Gesellschaft. 199 
Dieser Ausdruck ist der früheren preußischen Gesetzgebung nicht 
fremd. Insbesondere kennt und verwendet ihn das ALR. Jedoch 
in einem Sinne, der von dem sonst üblichen abweicht. 
Die Terminologie des ALmF ist solgende. Das Gesetzbuch definiert 
unter dem Marginale „Religionsgesellschaften“ im § 10 II 11: „Wohl 
aber können (zum Unterschied von heimlichen", der Ordnung und 
Sicherheit des Staates gefährlichen Zusammenkünften, welche der vor- 
aufgehende § 9 verbietet) mehrere Einwohner des Staates unter dessen 
Genehmigung zu Religionsübungen sich verbinden;" — und führt so- 
dann, als Arten der hiermit umschriebenen Gattung „Religionsgesell- 
schaft" die „Kirchengesellschaften" und die „Sgeistlichen Gesellschaften“ 
an. „Religionsgesellschaften, welche sich zur öffentlichen (nach dem 
A##en nur den Landeskirchen verstatteten, vgl. oben S. 185) Feier des 
Gottesdiensies verbunden haben, werden „Kirchengesellschaften“ 
genannt“ (* 11 h. t.). „Diejenigen (sc. Religionsgesellschaften), welche 
zu gewissen anderen besonderen Religionsübungen vereinigt sind, führen 
den Namen der geistlichen Gesellschaften“" (5 12). Die Bezeichnung 
„Kirchengesellschaft“ zielt, nach der herrschenden und richtigen Meinung 
(Hinschius, Preuß Kirchenr. 10 ff., 270, 271; Meurer, Begriff u. Eigen- 
tümer der heiligen Sachen 2 298 ff.; Bornhak, Pr. St -R (1. Aufl.) 3 626; 
vgl. auch Stutz, das ALR und der Eigentümer des Kirchengutes (19051, 
6 N. 11), nicht auf die kirchlichen Gesamtorganisationen, z. B. die 
evangelische Landeskirche im ganzen, sondern auf die Einzelgemeinden 
ab. Als geistliche Gesellschaften zählt § 939 II 11 A#R auf „die im 
Staate ausgenommenen Stifter, Klöster und Orden“ (s. hierüber näheres 
bei Art. 13, S. 240 ff.). Danach ist „Religionsgesellschaft“" im Sinne des 
A# ein sehr allgemeiner Begriff, der — da die Aufzählung der 
beiden Arten, „Kirchen-“ und „geistliche Gesellschaften“ offensichtlich 
keine vollständige sein soll — außer diesen beiden auch noch andere, un- 
erwähnt und unbenannt gebliebene religiöse Vereine und Gesellschaften 
umspannt. 
Mit Recht hat Kahl, Errichtung von Handelsgesellschaften durch 
Religiose (1900), 6, diese Begriffsbildung als eine „eigentümliche“ be- 
zeichnet, welche bei der Auslegung außerpreußischer Gesetze nicht ohne 
weiteres unterstellt werden dürfe. Eben wegen dieser Eigentümlichkeit 
ist aber zu fragen, ob die landrechtlichen Definitionen auch nur für 
das Verständnis späterer preußischer Gesetze, vorab der Verfassung, 
maßgebende Bedeutung beanspruchen können. Diese Frage ist mit 
Hinschius, Preuß Kirchenrecht 11 Anm. 26 gegen vR 2 164. Kahl a. a. O. 
16ff., Giese in Hirths Annal. 1908, 170 f. zu verneinen. Einmal ist nicht
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.