Full text: Die Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat. Erster Band: Einleitung. Die Titel. Vom Staatsgebiete und Von den Rechten der Preußen. (1)

Art. 12. Bereins= u. versammlungspoliz. Stellung d. Religionsgesellschaften. 205 
lungen.“ Das sollte heißen: Religionsgesellschaften und andere religiöse 
Vereine sind, da die Religion Privatsache ist und auch dadurch nicht zu einer 
öffentlichen Angelegenheit wird, daß ein Verein sie auf sein Programm 
setzt, grundsätzlich nicht als Vereine zu behandeln, welche eine Einwirkung 
auf öffentliche Angelegenheiten bezwecken; die solchen Vereinen gegen- 
über bestehenden Befugnisse, insbesondere das Recht der Überwachung 
und Auflösung stehen der Polizei gegenüber den Religionsgesellschaften 
nicht zu. Jener Satz der V. vom 29. Juni 1849 ist nun freilich nicht 
unverändert in das Vereinsgesetz vom 11. März 1850 (entstanden durch 
nachträgliche parlamentarische Behandlung und Genehmigung jener V., 
s. unten bei Art. 29, 30 S. 516) übergegangen, er erscheint vielmehr 
an der entsprechenden Stelle des Pr BG, 52 Abs. 3, in folgender Fassung: 
„Die Bestimmungen dieses und des vorhergehenden Paragraphen 
beziehen sich nicht auf kirchliche und religiöse Vereine und deren 
Versammlungen, wenn diese Vereine Korporationsrechte 
haben.“ 
„Dieser und die vorhergehenden Paragraphen“ bestimmen, daß 
der Unternehmer einer Versammlung, in welcher öffentliche Angelegen- 
heiten erörtert oder beraten werden sollen, das Stattfinden dieser Ver- 
sammlung mindestens 24 Stunden vor ihrem Beginn der Polizeibehörde 
anzuzeigen hat und daß die Vorsteher von Vereinen, welche eine Ein- 
wirkung auf öffentliche Angelegenheiten bezwecken, verpflichtet sind, die 
Statuten und das Mitgliederverzeichnis des Vereins binnen drei Tagen 
nach Stiftung des Vereins sowie jede Anderung der Statuten oder der 
Bereinsmitglieder binnen drei Tagen, nachdem sie eingetreten ist, der 
Polizeibehörde zur Kenntnisnahme einzureichen. Wenn solchergestalt 
das Gesetz ausdrücklich bestimmt, daß die Religionsgesellschaften mit 
Korporationsrechten den angegebenen Beschränkungen und Verpflichtungen 
nicht unterliegen sollen, so hat man hieraus e contrario folgern zu 
müssen geglaubt, daß die Gesellschaften ohne Korporationerechte stets 
diesen Beschränkungen, und nicht nur diesen (§§ 1, 2 Pr V ), sondern 
auch noch allen weiteren Vorschriften unterliegen, welche sich auf Ver- 
sammlungen im Sinne des § 1 Pr W beziehen, wie namentlich 
dem polizeilichen Uberwachungs- und Auflösungsrecht (a. a. O. 88 4—6). 
Diese Schlußfolgerung ist jedoch, wenngleich sie nahezu die gesamte 
Literatur und eine langjährige konstante Rechtsprechung und Verwaltungs- 
praxis hinter sich hat, unbegründet. Sie ist weder durch den Wortlaut 
des 82 a. a. O. geboten, noch entspricht sie — wie von Gesscken, 
Offentliche Angelegenheit, politischer Gegenstand und politische Vereine 
nach preußischem Recht, in der Festschrift für E. Friedberg (Leipzig
	        
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