Full text: Die Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat. Erster Band: Einleitung. Die Titel. Vom Staatsgebiete und Von den Rechten der Preußen. (1)

Art. 12. Bereins= u. versammlungspoliz. Stellung d. Religionsgesellschaften. 207 
nur als Dechmantel für Bestrebungen anderer Art gebraucht“. Über- 
einstimmend Geffcken a. a. O. 309, 310 und Wolzendorff, VäArch 18 519ff., 
521; anderer Meinung jedoch die in Wissenschaft und Praxis herrschende 
Ansicht (Belege bei Gesscken 304 Nr. 3, 305 Nr. 1 und bei Wolzendorff 
a. a. O.; aus der Rechtspr. des OG vgl. insbesondere 22 404, 42 412ff. 
aus der Literatur: Kahl, Lehrsystem 343, Fürstenau 222, 223, Meyer- 
Anschütz § 234 N. 30, Arndt, Komm. 111, Schwartz 389, Delius, Das 
preuß. Vereins- und Vers.-R. I3. Aufl.] 124 ff., Deutsches Vereins= und 
Vers.-R. (4. Aufl. des vorzitierten Buches)], 522 ff.). Erst in neuerer Zeit 
hat von den obersten Gerichtshöfen einer: das KG, von dieser fest- 
gewurzelten Meinung sich abgewandt und dem richtigen Gedanken, daß nach 
der Verfassung Religion, auch als Vereinsangelegenheit, Privat- 
sache ist, Rechnung zu tragen versucht: Entscheidung vom 12. Februar 
1906, KG J 31 C32—44 (vgl. Gesscken 309, Delius (4. Aufl.] 526). — 
Je nach Eigenart ihrer Zwecke und Ziele sowie der zu deren Erreichung 
angewandten Mittel kann übrigens eine angeblich rein religiöse Gesell- 
schaft nicht sowohl als ein Verein im Sinne des § 2, sondern unter 
Umständen sogar als einer im Sinne des § 8 des Pr W# — politischer 
Verein — erscheinen (man denke an religiös= oder kirchlich-politische 
Parteiorganisotionen) und muß es sich dann selbstverständlich gefallen 
lassen, als solcher behandelt zu werden. Unklare Bemerkungen über 
diesen Punkt bei v#eK 2 158 N. 4, 159 N. 2; gegen ihn richtig Fürste- 
nau 223 N. 1. 
Die Zugehörigkeit einer Religionsgesellschaft zu der Kategorie der 
mit öffentlichen Angelegenheiten sich befassenden oder politischen Ver- 
eine darf hiernach niemals präsumiert, sondern muß von Fall zu Fall 
geprüft und nachgewiesen werden. In Ermangelung dieses Nachweises 
ist die betreffende Religionsgesellschaft als ein Verein zu betrachten, wel- 
cher eine Einwirkung auf öffentliche Angelegenheiten nicht beabsichtigt, 
polizeilich also nicht anders zu behandeln wie ein Verein zu beliebigen 
Bildungs-, Unterhaltungs-, Sport= und ähnlichen, öffentlichrechtlich und 
politisch gleichgültigen Zwecken. Spezifisch vereins-- und versammlungs- 
polizeiliche Kontroll- und Zwangsbefugnisse stehen den Polizeibehörden 
solchen Vereinen gegenüber nicht zu; wohl dagegen unterliegen auch sie, 
selbstverständlich, der für alle Vereine geltenden Vorschrift, daß ihre Zwecke 
nicht den Strafgesetzen zuwiderlaufen dürfen (Art. 30, s. bei diesem Art., 
S. 532), und daß sie im Falle des Zuwiderlaufens verboten bzw. auf- 
gelöst werden können. Auch kann, gegebenenfalls, gegen ihre Ver- 
sammlungen, nicht zwar auf Grund des Pr VG 5§ 4ff., wohl aber aus 
allgemeinen sicherheitspolizeilichen Gründen eingeschritten werden: so
	        
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