Artikel 12. Kultusfreiheit als Unterrichtsfreiheit. 219
S. 228ff.). Daß und inwieweit der Staat den Religionsunterricht unter
die Lehrfächer seiner Schulen ausgenommen und den Religionsgesell-
schaften das Recht der „Leitung“ dieses Unterrichts (des „schulplan-
mäßigen“ Religionsunterrichts) in Aussicht gestellt hat (Art. 24 Abs. 2,
s. das. S. 447 ff.), ist eine Sache für sich, welche mit den religiösen Grund-
rechten des Art. 12 nichts zu schaffen hat, denn letztere bedeuten Frei-
heit vom Staat, die (dermalen noch nicht gesetzlich verwirklichten)
Leitungsbefugnisse des Art. 24 Abs. 2 dagegen Teilnahme am Staat:
Beteiligung der Religionsgesellschaften an der staatlichen Verwaltung
der öffentlichen Volksschulen. Von diesem in den öffentlichen Schulen
erteilten — „schulplanmäßigen“ — ist der hier besprochene rein kirch-
liche Religionsunterricht wohl zu unterscheiden (die Unterscheidung tritt
scharf hervor in dem Erlaß des Min. der geistl. Angel. v. 18. Febr. 1876
betr. den schulplanmäßigen Religionsunterricht — s. u. bei Art. 24
S. 453, 154 —, welcher übrigens (Ziff. 12] die Möglichkeit vorsieht, die
Räume öffentlicher Schulen für den kirchlichen Unterricht zur Verfügung
zu stellen). Arten und Zweige des letzteren sind z. B. der evangelische
Konfirmanden-, der katholische Beicht- und Kommunionunterricht, ferner
die auf Ausbildung der Geistlichen an kirchlichen Priester- bzw. Prediger-
seminaren, Knabenkonvikten und ähnlichen Anstalten geübte Lehrtätigkeit.
Mit der vorstehend erörterten instruktiven Seite der Religionsfrei-
heit hat sich das OVG in einem lehrreichen Falle beschäftigt: Entsch 22
396 ff. Dem Vorstande einer nicht mit Korporationsrechten ausgestatteten
Sekte war die Abhaltung von Religionsstunden („Christenlehre") in deren
Bethause polizeilich untersagt worden. Das OW hebt diese Polizei-
verfügung, „weil sie dem Art. 12 der Verfassung direkt widerspricht"“,
auf und begründet diese Entscheidung, ganz im Einklang mit der oben
vorgetragenen Auffassung, wie folgt: „Soweit der Unterricht in der
Religion Bestandteil der gemeinsamen Religionsübung ist, bildet dessen
Regelung nicht einen Teil der staatlichen Ordnung des Unterrichtswesens,
sondern einen Teil der inneren Ordnung der Kirchen und sonstigen
Religionsgesellschaften; demgemäß kann auch gegen die mit Korporations-
rechten nicht ausgestatteten Religionsgesellschaften nicht über die Schranken
des Pr BG vom 11. März 1850 hinaus präventiv eingeschritten werden.
um sie zu hindern Religionsunterricht als Teil der gemeinsamen Reli-
gionslibung an Erwachsene wie an Kinder erteilen zu lassen."“
7. Die Unabhängigkeit der bürgerlichen und staatsbürgerlichen
Rechte von dem religiösen Bekenntnis. — Die beiden letzten Sätze
des Artikels behandeln das Verhältnis der im ersteren gewährleisteten
Religionsfreiheit zu der bürgerlichen Rechtsordnung.