224 Artikel 12. Offentliche Ämter im Sinne des Gesetzes von 1869.
eigenen Mitglieder, sondern auch noch die Mitglieder anderer Religions-
gesellschaften zulassen müssen. Der hier besprochene Grundsatz bedeutet
und bezweckt Gleichstellung im Weltlichen, nicht aber im Kirchlichen.
Unter dem vorstehend angegebenen Gesichtspunkte ist auch die
Frage zu entscheiden, welche Amter als „öffentliche“ im Sinne des Ge-
setzes von 1869 anzusehen sind und danach dem Paritätsprinzip unter-
liegen. Die Amter (das Wort ist im weiteren Sinne zu verstehen,
gleichbedeutend mit Organschaft jeder Art) des Staates, der Ge-
meinden und höheren Kommunalverbände (Kreise, Provinzen), ferner
der zu Spezialzwecken eingerichteten Selbstverwaltungskörper (Träger
der Arbeiterversicherung, Innungen, öffentlichrechtliche Berufskörper-
schaften, Deichverbände usw.), einschließlich der mit Rechtsfähigkeit und ge-
wissen Selbstverwaltungsrechten ausgestatteten Staatsanstalten, insbe-
sondere der Universitäten (s. u. 225), sind öffentliche Amter; die der
Religionsgesellschaften, auch der Landeskirchen, sind es nicht. Ein
kirchliches Amt im weiteren Sinne ist auch das Patronat. Mithin sind
die kirchenrechtlichen Bestimmungen (gleichviel ob staatlichen oder kirch-
lichen Ursprungs), welche die Ausübung des Patronatsrechts durch Nicht-
mitglieder der betreffenden Konfession, insbesondere durch Nichtchristen,
verbieten, weder durch Art. 12 Satz 2 noch durch das Gesetz von 1869
aufgehoben. Gleicher Meinung Fürstenau 209, der mit Recht darauf
hinweist, daß das Patronat weder ein bürgerliches noch ein staatsbürger-
liches Recht im Sinne der Verfassung und des Gesetzes von 1869 sei,
darin jedoch irrt, wenn er eine weitere Stütze seiner Ansicht in dem
Art. 14 der Verfassung erblicken will. Art. 14 — vgl. die Bemerkungen
zu diesem Artikel, S. 269ff. — kommt hier nicht in Betracht. Einmal
deshalb nicht, weil er die Zugrundelegung der christlichen Religion für
„Einrichtungen des Staates“ fordert; das Patronat ist aber eine Ein-
richtung nicht des Staates, sondern der Kirche. Zweitens nicht, weil
der Art. 14 überhaupt nur von „Einrichtungen“, nicht von Per-
sonen, also von Sachen, nicht von Menschen redet. Was Art. 14 will,
ist die christliche Gestaltung gewisser Institutionen, nicht die Zugehörig-
keit der sie handhabenden Personen zu einer der christlichen Kirchen.
Wenn Art. 14 in der Tat so aufzufassen wäre, wie Fürstenau a. a. O.
201, 209, 243 (und ebenso auch vR# 2 9, 11, 12) meint, d. h. als eine
Einschränkung des durch Art. 12 Satz 2 ausgesprochenen Prinzips, so
wäre er insoweit durch das Gesetz von 1869, welches mit „allen noch
bestehenden Beschränkungen“ usw. aufräumt, beseitigt. Aus dem gleichen
Grunde ist es auch unrichtig, wenn vRz #a. a. O. und Fürstenau 201
den nichtchristlichen Staatsangehörigen alle Staatsämter verschließen