Artikel 12 Offentliche Amter im Sinne des Gesetzes von 1869. 225
wollen, welche „mit der christlichen Religionsübung im Zusammenhange
stehen“ (Fürstenau rechnet hierher z. B. alle Staats- und Gemeindeämter,
„mit welchen eine Aussicht über eine christliche Kirche verbunden ist
oder welche berufen sind, eine Einwirkung irgendwelcher Art auf die
Angelegenheiten einer christlichen Kirche auszuüben"). Auch diese De-
duktion würde, selbst wenn ihre Begründung aus Art. 14 stichhaltig
wäre, an dem „alle“ des Gesetzes von 1869 scheitern.
Zu den durch Art. 12 Satz 2, bzw. des Gesetzes von 1869 auf-
gehobenen Normen gehören insbesondere auch diejenigen Vorschriften
der Universitätsstatuten, welche für die Bekleidung eines Lehr- oder
anderen Amtes, sowie für die Zulassung als Privatdozent an der be-
treffenden Universität ein bestimmtes Bekenntnis fordern (richtig Born-
hak, Rechtsverhältnisse der Hochschullehrer in Preußen 63). Bezüglich
derjenigen Statuten, welche die Zulassung jüdischer Privatdozenten aus-
schlossen (z. B. Statut der juristischen Fakultät zu Breslau, angeführt
bei Daude, Rechtsverhältnisse der Privatdozenten 5) wird dies auch
allgemein anerkannt, während die Fortgeltung von Bestimmungen wie
4 der Statuten der Universität Halle:
„Der ursprünglichen Stiftung gemäß sind bei der Universität
Halle-Wittenberg nur Lehrer und Beamte evangelischer Kon-
fession zuzulassen und anzustellen“
von der Unterrichtsverwaltung (und von Daude a. a. O. 4), jedoch sicher
mit Unrecht, behauptet wird.
Aufrechterhalten dagegen, nicht aufgehoben durch das Gesetz von
1869 sind solche landesrechtlichen Borschriften, welche die Bekenner einer
bestimmten Religion nicht als solche, sondern in ihrer Eigenschaft als
Ausländer disqualifizieren. 9 71 Abs. 2 des Gesetzes über die Ver-
hältnisse der Juden vom 23. Juli 1847 (oben 186), wonach ausländische
Juden nicht ohne Genehmigung des Ministers des Innern als jüdische
Kultusbeamte angenommen werden dürfen, gilt also noch; so, ganz
richtig Re# Straff. 13 207, 208, ein Urteil, dem auch in der Begründung
insoweit zuzustimmen ist, als es in dem §# 71 a. a. O. ein Seitenstück
zu §G1 des Gesetzes über die Vorbildung und Anstellung der Geistlichen
vom 11. Mai 1873 erblickt. Wie dieses erste der „Maigesetze“ die Be-
setzung christlicher Kirchenämter mit Nichtdeutschen, und zwar bedingungs-
los, verbietet, so erschwert jener § 71 die Übertragung von Synagogen-
ämtern an Ausländer. Mit dem Gesetze von 1869 steht weder das
Verbot noch die Erschwerung im Widerspruch. Darin hat das R recht.
Misßverständlich dagegen ist es, wenn in der Begründung seines Urteils
(S. 208) gesagt wird, die preußische Verfassung Art. 12 und das Gesetz
Anschüs,, Preuß. Perfassungs-Urkunde. I. Band. 15