226 Artikel 12. Das Gesetz vom 3. Juli 1869 gilt auch für Ausländer.
von 1869 „sollen nur den preußischen und deutschen Staatsange-
hörigen ein Recht gewährleisten“ und völlig falsch, wenn vRZ 2 19
dem sich Arndt, Komm. 112 (Nr. 4 a. E.) anschließt) unter Berufung
auf diese Worte den Satz aufstellt, auf Ausländer könne das Gesetz von
1869 keine Anwendung finden, „da die Ausländer erst durch den Erwerb
der mländischen Staatsangehörigkeit in die Sphäre dieses Gesetzes ein-
treten". Abgesehen von der leicht erkennbaren petitio principü, an
welcher dieser Satz leidet (er besagt: „auf Ausländer findet das
Gesetz keine Anwendung, weil sie Ausländer sind“), ist gegen ihn ein-
zuwenden, daß die „Sphäre“ des Gesetzes von 1869 nicht die Ge-
samtheit der Deutschen, sondern das Deutsche Reich ist. Die aus der
Religionsverschiedenheit hergeleiteten Beschränkungen bürgerlicher Rechte
sind durch Art. 12 Satz 2 bzw. das Gesetz von 1869 auch zugunsten der
Ausländer aufgehoben. Richtig v. Bonin, Die praktische Bedeutung des
ius reformandi, 108. Vgl. auch oben S. 188. Natürlich beseitigt und
verbietet das Gesetz nur die aus der Religionsverschiedenheit her-
geleiteten Beschränkungen, andere nicht. Der Differenzierung ver-
schiedener Kategorien von Ausländern — Nationalitäten — durch die
partikularen Fremdengesetze steht es nicht entgegen, nur darf diese
Differenzierung nicht nach Konfessionen geschehen. Während die
Fortgeltung des oben besprochenen §5 71 Abs. 2 des Judengesetzes von
1847 nicht zu bezweifeln ist, muß Abs. 1 desselben Paragraphen, welcher
die Niederlassung von solchen Ausländern, die sich zum jüdischen Glauben
bekennen, besonderen Beschränkungen (ministerielle Genehmigung) unter-
wirft, für aufgehoben erachtet werden. A vR3Z 2 177ff.
Als „bürgerliche“ bzw. „staatsbürgerliche“ Rechte im Sinne des
Art. 12 Satz 2 und des Gesetzes von 1869 sind nur Rechte von natür-
lichen, nicht von juristischen Personen anzusehen, es zählen hierher
also nur Individualrechte, nicht Rechte, die Vereinen, Korporationen,
Stiftungen oder Anstalten als solchen zustehen. Denn sowohl die Ver-
fassung wie das Gesetz von 1869 setzen als Träger der bezeichneten
Rechte Subjekte voraus, die eine Religion bekennen bzw. konfessionslos
sind; solche Subjekte können aber nur Menschen, nicht juristische Per-
sonen sein. Hieraus folgt, daß — wie bereits an anderer Stelle, oben
S. 211, 212, hervorgehoben — die durch Art. 12 Satz 2 und das Gesetz
von 1869 statuierte bürgerliche und staatsbürgerliche Parität nur als
Parität der Individuen, nicht als Parität der Religionsgesell-
schaften zu verstehen ist. Verboten ist, die Rechte der Individuen
nach dem Glaubensbekenntnis abzustufen, nicht aber, die Rechte der
Religionsgesellschaften als solcher zu differenzieren. Nur den