232 Artikel 12. Religionsfreiheit und Bürgerpflicht.
zusehen ist, so kann es trotzdem als eine zu langwierige und unzweck-
mäßige Schlachtmethode durch die Benutzungsordnung eines öffentlichen
Schlachthauses verboten werden, ein Verbot, dem sich kraft „bürgerlicher
Pflicht“ alle, die es angeht, also auch die jüdischen Schlächter, unter-
werfen müssen: OG 44 68ff. Nur muß, wie bereits oben S. 223
erwähnt, ein derartiges Verbot aus Paritätsgründen formell an alle,
nicht nur an die Juden gerichtet sein.
Den Gesetzen und Polizeiverordnungen über Sonn- und Feier-
tagsruhe (vgl. unten Art. 14 S. 276) sind gleicherweise Alle unter-
worfen. Die Polizeibehörden sind nicht befugt, Juden und Adventisten
von den betreffenden Vorschriften zu dispensieren, insbesondere auch
nicht auf die Versicherung hin, daß der den Dispens Nachsuchende
durch seine Religion verpflichtet sei, am Sabbat zu ruhen und am
Sonntag zu arbeiten. Interessante Parallelfälle aus der schweizerischen
Praxis vgl. bei Burckhardt, Kommentar zur schweizerischen Bundesver-
fassung, 486 ff.., Fleiner, Schranken der Kultusfreiheit, Ztschr. f. schweiz.
R., N. F., Bd. 23 S. 23. Der Satz der belgischen Verfassung (art. 15):
„Nul ne peut étre contraint de concourir d’'une maniere quelconque
aux actes et aux cérémonies d’'un culte“ gilt auch in Preußen, nicht
aber seine Fortsetzung: „ni d’en observer les jours de repos.“
Die durch das Personenstandsgesetz § 13 Ziff. 5 gebotene Unter-
schrift darf von der jüdischen Partei nicht unter Berufung auf das
Verbot, am Sabbat irgendwelche Arbeit zu verrichten, verweigert
werden (Sartorius, Komm. z. Personenstandsgesetz 114); noch viel weniger
würden etwa Beamte jüdischen Glaubens den Anspruch erheben dürfen,
die ihnen obliegenden Amtsgeschäfte am Sabbat ruhen zu lassen, oder
Soldaten, die der Adventistensekte angehören, berechtigt sein, am
Samstag keinen Dienst zu tun, oder Eltern dieser Denomination, ihre
Kinder Samstags vom Schulbesuch fernzuhalten (KG v. 1. Juni 1908,
DJI XIII 878).
Konflikte zwischen der staatsbürgerlichen Wehrpflicht und der
religiösen Uberzeugung der Pflichtigen sind mehrfach hervorgetreten,
nicht nur bei Adventisten, sondern auch und besonders bei solchen,
deren Glaubenslehren Krieg und Kriegsdienst schlechthin verwerfen, bei
Mennoniten und Quäkern. Die Ansprüche dieser Sekten auf Befreiung
vom Militärdienst sind im Hinblick auf Satz 3 (bei dessen Beratung
jene Ansprüche ausdrücklich erwähnt und abgelehnt wurden: Ber. d.
ZAussch. I. K. 934) und darauf, daß das Kriegsdienstgesetz vom
9. November 1867 die vom Dienst befreiten Personenkategorien voll-
ständig aufzählt, ohne der Mennoniten zu gedenken (ein diesbezüglicher