Full text: Die Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat. Erster Band: Einleitung. Die Titel. Vom Staatsgebiete und Von den Rechten der Preußen. (1)

Artikel 14. Entstehungsgeschichte. 261 
schlossen, noch auch nur beantragt worden. Die ihm zugrundeliegenden 
kirchenpolitischen Gedanken traten zuerst bei der Plenarberatung des 
Artikels über die Religionsfreiheit (oktr Art. 11 = Art. 12 des 
geltenden Textes) in der I. K. hervor. Sie verdichteten sich zu fol- 
genden Anträgen: 
a. Antrag Walter (I. K. 937). Er ging dahin, dem Art. 11 
oktr V hinzuzusetzen: 
„Die christliche Religion in ihren Hauptbekenntnissen wird 
als die Religion der großen Mehrheit der Bewohner des Staates 
anerkannt und als solche in den Einrichtungen desselben, un- 
beschadet der Religionsfreiheit der anders Glaubenden, berück- 
sichtigt.“ 
In den Gründen dieses Antrags ist ausgeführt, daß, was in 
der Mehrheit des Volkes lebe, „auch in den Einrichtungen des Staates 
bis auf einen gewissen Grad hervortreten“ müsse und nicht ignoriert 
werden dürfe, „wie dieses schon die Einrichtung der Festtage beweist“. 
Eine „Staatsreligion“ solle durch den Antrag nicht eingeführt, auch 
die Religionsfreiheit nicht geschmälert, sondern nur ausgesprochen 
werden, „daß, wenn der Staat sich in der Unmöglichkeit befindet, bei 
einer Anordnung, die doch nicht unterlassen werden kann, allen Teilen 
(d. h. Religionsparteien und Konfessionen) gleichmäßig zu genügen, 
wie dieses z. B. bei der Anordnung der Festtage der Fall ist, er sich 
nach der Mehrheit zu richten und die Minderheit sich dem zu fügen 
hat.“ „Hingegen, wenn es an einem solchen Zusatzartikel fehlt, so 
könnte allerdings der Nichtchrist einen gewissen Widerspruch mit Art. 11 
(oktrV) darin finden, wenn er z. B. an einem christlichen Festtage 
verhindert wird, einen Wechselprotest zu erheben. Oder es könnte 
dann auch die kleinste Religionsgesellschaft verlangen, daß in den 
Militäreinrichtungen entweder für die religiösen Bedürfnisse aller 
Religionsgenossen ganz gleichmäßig gesorgt, oder, wenn dieses nicht 
möglich wäre, alle gleichmäßig sich selbst überlassen würden."“ 
b. Antrag Stahl (a. a. O. 937, 938): dem genannten Artikel 
hinzuzusetzen: 
„Das Christentum bleibt maßgebend für alle öffentlichen Ein- 
richtungen, die mit der Religion in Zusammenhang stehen. Die 
evangelische und die römisch-katholische Kirche behalten ihr öffentlich- 
nationales Ansehen im Staate."“ 
Die Begründung vermißt in der Verfassung den Ausdruck, „daß 
die Nation als solche sich zum Christentum bekennt“ und fordert eine 
Gewähr, „daß die öffentlichen Einrichtungen von religiöser Bedeutung,
	        
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