Full text: Die Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat. Erster Band: Einleitung. Die Titel. Vom Staatsgebiete und Von den Rechten der Preußen. (1)

Artikel 14. Der „christliche Staat“. 267 
„andern Religionsgesellschaften“ ausgesprochenermaßen deshalb erfolgt, 
„um darzutun, daß diese Gemcinschaften in der ihnen zustehenden feier- 
lich verbrieften Stellung nicht beeinträchtigt werden sollen“ (so die 
oben zitierten Ladenbergschen „Erläuterungen“; vgl. auch unten bei Art. 15 
S. 306, 315). Und ebensowenig, wie die in diesen Worten angedeutete 
Privilegierung der Landeskirchen (z. B. Ausstattung mit Hoheitsrechten, 
Gewährung staatlicher Vollstreckungshilse, Dotation) ist die von Staats 
wegen erfolgende Berücksichtigung ihrer Interessen, ihrer Glaubens- und 
Sittenlehre im öffentlichen Leben durch die Verfassung, den Art. 14 hin- 
weggedacht, verboten. Auch diese Seite des ius advocatiae war durch das 
Prinzip der Religionsfreiheit nicht bedroht. Man muß Stahl seinen 
Glauben lassen, wenn er (I. K. 979) emphatisch versichert: „es ist gegen 
die göttliche Ordnung, daß der Staat eines christlichen Volkes profan 
sei“; — jedenfalls fordert, vom Art. 14 wiederum abgesehen, die 
Verfassungsordnung des preußischen Staates von diesem Staate nicht, 
sich und seine Einrichtungen zu „profanieren", d. h. jede Rücksicht auf 
Religion und Christentum fallen zu lassen. 
Alles in allem kann man sagen, daß das auf dem Gedanken der 
ethischen Gleichordnung von Staat und christlicher Kirche beruhende, 
in der Begünstigung der Kirche und der Berücksichtigung des Christen- 
tums im öffentlichen Leben sich betätigende Schutzrecht des Staates, 
die Advokatie, so, wie sie auch ohne den Art. 14 ein zweifelloses 
Recht des Staates gewesen und geblieben wäre, durch den Artikel in 
gewissen Grenzen zu einer staatlichen Pflicht geworden ist. 
In einem Hauptpunkte sind die dem Staate aus Art. 14 er- 
wachsenden Pflichten und Rechte durch den Text ausdrücklich begrenzt 
mit den Worten: „unbeschadet der im Art. 12 gewährleisteten Religions- 
freiheit". Diese letztere große Errungenschaft soll durch die im Art. 14 
vorgezeichnete Christlichkeit der „mit der Religionsübung im Zusammen- 
hang stehenden Staatseinrichtungen“ nicht angetastet werden. Die dem 
Staate auferlegte Advokatie soll nicht das Recht enthalten, die Glaubens- 
freiheit zu schmälern (s. hierüber unten S. 270, 280, 281). Soweit herrscht 
Klarheit. Im übrigen ist es traditioneller Brauch, sich über den Art. 14 
vorzugsweise aus der bereits oben mehrfach angezogenen geistreichen 
Rede Stahls (3. Okt. 1849 I. K. 977 ff.) zu belehren. (Vgl. vK 2 165 
Nr. 2, Arndt und Schwartz in ihren Bemerkungen zu Art. 14, Schoen 
im Vrch 6 185 Anm. 192.) Man betrachtet diese Rede gern als eine 
Art Paraphrase des Art. 14, als einen autoritativen Kommentar zu 
dem durch den Artikel angeblich Gesetz gewordenen Dogma vom „christ- 
lichen Staat“. Hierbei wird aber übersehen, daß das Amendement,
	        
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