Full text: Die Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat. Erster Band: Einleitung. Die Titel. Vom Staatsgebiete und Von den Rechten der Preußen. (1)

276 Artikel 14. Heilighaltung der Sonn- und Festtage. 
III. Staatseinrichtungen, welche von dem Gedanken getragen sind, 
die Interessen der Religionsübung im öffentlichen und bür- 
gerlichen Leben zu berücksichtigen, die Formen dieses Lebens jenen 
Interessen gemäß zu gestalten. Es ist dies „dasjenige Betätigungs- 
gebiet des ius advocatiae, auf welchem die berechtigten Forderungen 
der christlichen Staatsidee im Rahmen des Systems der Kirchenhoheit 
am vollkommensten zur Erfüllung gelangen können“ (Kahl, Lehrsystem 
386). Hierher gehören: 
1. Die Vorschriften über die äußere Heilighaltung der 
Sonn= und Festtage (s. oben S. 264, 266). Der hierauf bezügliche 
5l 366 Nr. 1 StrGB („ mit Geldstrafe wird bestraft: 1. wer 
den gegen die Störung der Feier der Sonn= und Festtage erlassenen 
Anordnungen zuwiderhandelt") ist leine konstitutiv wirkende Ermächtigung 
zum Erlaß von Anordnungen der bezüglichen Art, sondern nur ein 
Blankettstrafgesetz, welches die Befugnis zur Normfeststellung nicht ver- 
leiht, sondern voraussetzt. Welche „Anordnungen“ getroffen werden 
können und von wem sie zu erlassen sind, entscheidet sich für das Ge- 
biet des gewerblichen Lebens nach Reichsrecht, GewO ## 106aff., im 
übrigen (vgl. auch GewO §s 105h und RG 524 Abs. 4) nach Landes- 
recht (OVG 41 309ff., 318). Durch Landesgesetz (KO vom 7. Febr. 1837, 
GS 19; G. betr. die äußere Heilighaltung der Sonn- und Festtage 
in den Provinzen Schleswig-Holstein usw. vom 9. Mai 1892, GS 107; 
G. betr. den Karfreitag vom 2. September 1899, GS. 161) oder nach 
Maßgabe des Gesetzes durch landespolizeiliche Verordnung (vgl. die 
Ermächtigungen in der vorbezeichneten KO von 1837 und dem G. von 
1892; zur weiteren Orientierung s. Genzmer, die Polizei 435 Anm. 1) 
ist insbesondere festzustellen, welche Tage als Festtage zu gelten haben. 
Soweit dabei Rücksichten auf die Religionsübung obwalten, ist die 
christliche Religion ausschließlich maßgebend; Polizeiverordnungen zum 
Schutze der jüdischen Feiertagsordnung würden im Hinblick auf Art. 14 
ungültig sein. Natürlich steht Art. 14 der Schaffung rein weltlicher Fest- 
tage nicht entgegen; aus dem Artikel folgt nur, daß der Staat, wenn und 
soweit er das „Feiern“ im Interesse religiöser Normen und Anschau- 
ungen gebieten will, er dies lediglich zugunsten der christlichen Religion 
und demgemäß für solche Tage tun darf, welche nach christlichen Be- 
griffen als Feiertage gelten. 
2. Die Inanspruchnahme der Kirche und ihres Kultus zur 
Erhöhung der Feierlichkeit staatlicher Akte: Krönung des Königs, 
Parlamentseröffnung, öffentliche Feste, Trauerfeiern; vgl. auch Ge- 
setz über die Landestrauer vom 14. April 1903, GS 115, + 1.
	        
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