Artikel 14. Die dem Staate aus dem Artikel erwachsenden Pflichten. 279
§s 42) und mit der Maßgabe, daß bei Mitgliedern solcher Religionsgesell-
schaften, welchen das Gesetz den Gebrauch gewisser Beteuerungsformeln an
Stelle des Eides gestattet, der Gebrauch dieser Beteuerungsformeln der Ei-
desleistung gleichgeachtet wird (GVCG 5P51, 8PO§g 484, StrPO #564). Da-
durch sind die obligatorisch-konfessionellen (insbesondere auch für Evangelische
und Katholiken verschiedenen, vgl. Hubrich 21, 22) Eidesformeln beseitigt.
Vgl. zu dem Vorstehenden Hubrich 82 ff., 136 ff., sowie über den
nicht spezifisch christlichen Charakter der modernen Eidesformel Rieker
a. a. O. 16. — Das Gesamtbild der heutigen Rechtslage ist dieses: die
in Art. 14 enthaltene Forderung der Alleinherrschaft oder doch Vor-
herrschaft einer universell-christlichen und doch spezifischc christlichen
Eidesformel (etwa: „so wahr mir Gott helfe und sein heiliges Evan-
gelium“ oder „so wahr mir Gott helfe durch Jesum Christum zur Selig-
keit", vgl. Hubrich 21, 22) wird von dem geltenden Reichs= und preu-
hischen Landesrecht nicht erfüllt.
6. Die dem Staate aus Art. 14 erwachsenden Verpflichtungen.
Wenn in dem Artikel gesagt ist, daß in den von ihm bezeichneten,
vorstehend S. 273ff. besprochenen Fällen die christliche Religion zugrunde
gelegt wird, so ist die hierin enthaltene Verpflichtung des Staates
keine unbedingte. Der Staat ist, wie dies auch schon oben, S. 274,
277, 278 des öfteren angedeutet wurde, keineswegs verpflichtet, „Ein-
richtungen, die mit der Religionsübung im Zusammenhang stehen“,
überhaupt zu haben, bzw. solche Einrichtungen, bei denen dies möglich
ist oder bisher üblich war, unter allen Umständen mit der Religions-
übung in Zusammenhang zu bringen. Art. 14 sagt nur, daß, wenn
der Staat es aus, gleichviel welchen, Gründen für gut befindet, einen
Zusammenhang der angegebenen Art herzustellen oder aufrechtzuerhalten,
er sich an die christliche Religion halten muß. Der Artikel verpflichtet
den Staat (d. h. je nach der Lage des Falles und der Zuständigkeit,
den Gesetzgeber oder die Verwaltung) für den Fall, daß er nicht der
völligen Sekularisation der betreffenden Einrichtungen den Vorzug gibt,
sondern letztere mit der Religionsübung im Zusammenhange beläßt,
zur Bevorzugung der christlichen und Ignorierung jeder nichtchristlichen
Religion. Dieser eventuellen Bevorzugungspflicht korrespondiert nicht
ein auf deren Erfüllung gerichtetes subjektives Recht der christlichen
Kirchen, welchen ein Anspruch z. B. auf den Fortbestand der theologischen
Fakultäten, der Militärseelsorge, des religiösen Eides, der staatlich ge-
botenen Feiertagsruhe um so weniger zuzugestehen ist, als ja der Staat
diese Einrichtungen, wie erwähnt, auch völlig beseitigen bzw. ihrer
religiösen Prägung entkleiden könnte.