Artikel 15. Trennung von Staat und Kirche nach der Verfassung. 301
den Gattungsbegriff der öffentlichrechtlichen Korporation bringen, die
Gemeinde ist öffentlichrechtliche Korporation, die Kirche ist es
nicht. In dieser Grundanschauung übereinstimmend: Kahl a. a. O. 337 ff.,
Rosin, Recht der öffentlichen Genossenschaft 17 ff., 35 ff., Schoen
a. a. O. 122 ff. und evangelisches Kirchenrecht 1 171 ff., Bierling Af öff R 7224,
auch Haenel, deutsches Staatsrecht 1 151 (der Staat habe den Gedanken
aufgegeben, die kirchlichen Verbände zu ihm in das nämliche Verhältnis
zu setzen wie die Selbstverwaltungskörper). Die gegenteilige Meinung,
daß die Kirche zu denjenigen Korporationen gehöre, „welche der Staat
wegen ihrer Bedeutung für das Volkswohl in die staatsrechtliche
Ordnung eingliedert“, findet sich insbesondere bei Braun, Zeitschrift für
Kirchenrecht 17 281; vgl. dagegen die treffende Kritik von Hinschius,
Preußisches Kirchenrecht 15, 16, sowie die sehr entschiedene Stellung-
nahme des O gegen den „SEingliederungsgedanken“: 19 50. 438,
20 455, 456.
Auch zu der Kategorie der „dem Staate untergeordneten Kollegien,
Korporationen und Gemeinen“ — A# II 10 K69 — gehört die
Kirche nicht, denn die Stellung der damit bezeichneten Rechtssubjekte
zum Staate ist, wie bei den öffentlichrechtlichen Korporationen im
heutigen Sinne, nicht sowohl Unterordnung als organschaftliche Ein-
gliederung. Hierüber wird noch besonders zu reden sein (unten 312 ff.).
Die bisher hervorgehobenen Elemente hat das kirchenpolitische
System der preußischen Verfassung mit der „reinen“ Trennung gemein-
sam. Es unterscheidet sich von dieser durch das Vorhandensein eines
charakteristischen Bindegliedes zwischen Staat und Kirche, welches die
Verschiedenheit beider keineswegs aufhebt, die Trennung aber
als eine nur relative, bedingte, erscheinen läßt. Dieses Bindeglied ist die
in Aufsicht und Schutz sich betätigende, aber nicht allen Religions-
gesellschaften gegenüber sich gleichmäßig betätigende, sondern sie unter-
schiedlich behandelnde Staatskirchenhoheit. Danach sind Staat und
Kirche verbunden, nicht — wie dies das Wesen der reinen Trennung
fordert — nur durch die allgemeinen Aufsichtsrechte und Schutz-
pflichten, welche dem Staate allen Gesellschaften und Vereinen
gegenüber zustehen bzw. obliegen, sondern neben diesen allgemeinen
durch einen Komplex besonderer Rechte und besonderer Pflichten,
welche teils die religiösen Gesellschaften überhaupt von den nicht-
religiösen abheben, teils die Religionsgesellschaften unter einander
als gruppenweise verschieden erscheinen lassen. Dieses Moment und
das ihm zugrundeliegende Prinzip der Imparität der Religions-
gesellschaften im Verhältnis zum Staat ist dem in Preußen