Full text: Die Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat. Erster Band: Einleitung. Die Titel. Vom Staatsgebiete und Von den Rechten der Preußen. (1)

des religionsgesellschaftlichen Selbstbestimmungsrechts. 313 
fassung und ihren Art. 15, veränderten Rechtslage von Grund aus wider- 
sprechen würde. Ist auch die Trennung von Kirche und Staat bei 
uns keine vollkommene und „reine“, so reicht sie doch weit genug, 
um den Gedanken der organschaftlichen Eingliederung der Kirche in 
den Staat, um das, was Hinschius a. a. O. die „direkte Beziehung zum 
Staat“ nennt, auszuschließen. Vgl. darüber die allgemeinen Aus- 
führungen oben S. 300, 301, die hier dahin zu spezialisieren sind, daß, 
indem „Unterordnung“ im Sinne des § 69 II 10 gleichbedeutend ist 
mit „organschaftlicher Eingliederung“, die Religionsgesellschaften, nament- 
lich die „öffentlich aufgenommenen Kirchengesellschaften“ des ALn, also 
die Landeskirchen bzw. ihre Gemeinden infolge des Art. 15 nicht mehr 
unter §& 69 II 10 fallen, die in derem Diensten stehenden Personen, ins- 
besondere die Geistlichen, nicht mehr als mittelbare Staatsbeamte 
im Sinne des §# 69 anzusehen sind (vgl. Hinschius a. a. O. 15, 16, 
OVG 8 395ff., 19 50, 427 ff., 20 455 f., 22 46). Unberührt hiervon 
bleibt die Frage, ob und inwieweit auch die kirchenregimentlichen 
(Konsistorial-) Beamten der evangelischen Kirche, die vor der Verfassung 
niemals „mittelbare“ (OVG# 20 455, 22 46), sondern stets unmittelbare 
Beamte des Staates zur Verwaltung der Angelegenheiten seiner evan- 
gelischen Landeskirche gewesen waren, diesen Charakter als unmittelbare 
Staatsbeamte und damit ihre Staatsbeamteneigenschaft überhaupt da- 
durch eingebüßt haben, daß Art. 15 die kirchliche Verwaltung einschließ- 
lich der Konsistorialgeschäfte zur Angelegenheit der Kirche (im objektiven 
und subjektiven Sinne) erklärt (oben S. 304, 305) und die Konsistorial= 
behörden in Kirchenbehörden (gleichfalls im objektiven und subiektiven 
Sinne, vgl. oben S. 310) verwandelt hat. Vgl. hierüber unten 
322ff. — 
Die im vorstehenden erörterte Frage nach der Rechtssubjektivität 
der Religionsgesellschaften ist stets und ausschließlich eine Frage des 
staatlichen, nicht des kirchlichen Rechts; sie ist zu beantworten nach 
Maßgabe der Staatsgesetze. „Korporationsrechte“, welche nicht schon 
vor der Verfassung auf Grund der damals geltenden Staatsgesetze er- 
worben waren, können seitdem nur erworben werden durch besondere 
Staatsgesetze im Sinne des Art. 13 (vgl. die Ausführungen zu diesem 
Artikel). Mag man die Fragen nach dem Vorhandensein oder Nicht- 
vorhandensein, nach der juristischen Qualifikation der kirchlichen Rechts- 
persönlichkeit, nach dem Eigentumssubjekt des Kirchenvermögens für 
privatrechtliche Fragen erklären (so Hübler, Der Eigentümer des Kirchen- 
gutes, 168ff., Hinschius, Preußisches Kirchenrecht 270, Stutz, Das 
preußische AdR und der Eigentümer des Kirchengutes (19051) oder
	        
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