316 Artikel 15. Derogatorische Wirkung des Artikels.
der Staatsregierung bei Beratung der Deklaration von 1873, s. oben
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Es wird allerdings, bei der Unklarheit, welche in der älteren
Gesetzgebung, namentlich auch im A#n, über die Grenzen zwischen
Kirchenhoheit und Kirchengewalt (ius circa sacra und ius in sacra)
herrscht, nicht immer leicht sein, die Bestimmungen und Einrichtungen
aufsichtlichen Charakters von den im eigentlichen Sinne staatskirchen-
tümlichen, also das nicht Aufgehobene vom Aufgehobenen, zu sondern.
Zur ersteren Kategorie gehören im Zweifelsfalle alle Vorschriften, z. B.
des A#, welche die Beteiligung des Staates an der kirchlichen Ver-
waltung nur in Gestalt akzessorischer Willenserklärungen zeigen,
insbesondere die Gültigkeit gewisser kirchlichen Akte von der Genehmigung
oder Zustimmung des Staates abhängig machen. Solche Genehmigungs-
vorbehalte, welche ja auch bei der Beaufsichtigung anderer als kirch-
licher Korporationen, insbesondere in der gesetzlichen Ordnung der Staats-
aufsicht über die Gemeinden, häufig genug vorkommen, beschränken
die Selbstverwaltung, auf welche sie sich beziehen, heben aber deren
Wesen als Selbstverwaltung nicht auf. Auch der genehmigungs-
bedürftige Akt ist und bleibt trotz der Genehmigungsbedürftigkeit ein
autonomer Akt, der Akt eines vom Staate verschiedenen Willensträgers.
Sowenig die Gemeindeverwaltung deshalb aufhört, Selbstverwaltung
zu sein, weil etwa gewisse kommunale Wahlen oder Rechtsgeschäfte
der Bestätigung bzw. Genehmigung der Staatsbehörde bedürfen, eben-
sowenig stehen gleichartige Beschränkungen der kirchlichen Tätigkeit dem
durch Art. 15 eingeführten Grundsatz der Selbständigkeit der Kirchen
und andern Religionsgesellschaften in der Ordnung und Verwaltung
ihrer Angelegenheiten an sich entgegen. Solche Beschränkungen sind
typisch aufsichtlicher Natur und mit dem Prinzip des Artikels wohl
vereinbar, durch ihn also, soweit sie auf vorkonstitutionellem Recht
beruhen, nicht aufgehoben. Die gleiche Auffassung vertritt die Ver-
waltungspraxis seit Anfang der siebziger Jahre. Ein Runderlaß des
Ministeriums der geistlichen Angelegenheiten vom 22. Mai 1874 (ab-
gedruckt bei Hinschius, Preuß. Kirchenrecht 275 Nr. 77 spricht sich
dahin aus:
„Nach Erlaß der Verfassungs-Urkunde ist in mehreren dies-
seitigen Verfügungen gegenüber den Bestimmungen des §& 176
II 11 A#m und im Art. 44 zur Konvention vom 26. Messidor IX
(dem französischen Konkordat) ausgesprochen, daß für Kirchen-
bauten eine besondere Staatsgenehmigung, soweit solche früher
aus der staatlichen Kirchenaufsicht hergeleitet wurde, nicht mehr