Full text: Die Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat. Erster Band: Einleitung. Die Titel. Vom Staatsgebiete und Von den Rechten der Preußen. (1)

Artikel 15. Derogatorische Wirkung des Artikels. 317 
erforderlich sei. . . Diese Auffassung hat jedoch bei wiederholter 
Prüfung der einschlagenden Rechtsfrage als zutreffend nicht erkannt 
werden können, weshalb ich mich veranlaßt sehe, von derselben 
abzugehen. Die gedachten Vorschriften des A#n und des fran- 
zösischen Rechts sind ein Ausfluß der negativen Befugnisse, 
auf welche der Staat gegenüber den Religionsgesellschaften bei 
Erlaß der Verfassungs-Urkunde, wie auch in dem von dem da- 
maligen Minister der geistlichen Angelegenheiten unter dem 
15. Dezember 1848 veröffentlichten Erläuterungen der betreffen- 
den Artikel angeführt ist (ugl. oben S. 283), nicht verzichtet hat .. 
Es muß daher der Vorschrift des §+ 176 II 11 A#n, wonach neue 
Kirchen nur unter ausdrücklicher Genehmigung des Staates ge- 
baut werden dürfen, ebenso wie allen denjenigen Bestimmungen, 
welche dem kirchlichen Vermögenserwerbe gesetzlich bestimmte 
Schranken anweisen, eine wesentlich repressiver Charakter bei- 
gelegt werden, so daß eine Aufhebung des § 176 durch Art. 15 
Vu nicht angenommen werden kann.“ — 
Dieselbe Rechtsansicht kehrt wieder in der allgemeinen Verfügung 
des Ministeriums der geistlichen Angelegenheiten vom 13. Mai 1875 
(Inm Bl 131, s. auch bei Hinschius a. a. O. 283 und Giese in Hirths 
Ann. 1008 353); es heißt dort, mit Bezugnahme auf AL II 11 
& 219, 949, 952: 
„Die Genehmigung, von welcher das AL die Gültigkeit 
kirchlicher Alienationen abhängig macht, fällt nicht in das Gebiet 
der kirchlichen Administration, sondern der staatlichen Aufsicht. 
Sie ist kein Vermögensverwaltungsakt, sondern ein Ausfluß des 
Hoheitsrechts, auf welches der Staat gegenüber den in seinem 
Gebiet bestehenden Korporationen niemals verzichten kann und 
auf welches auch den Religionsgesellschaften gegenüber durch die 
Verfassung (Art. 15) keineswegs verzichtet worden ist.“ 
III. Verträglich mit Art. 15 sind ferner, da, wie mehrfach er- 
wähnt, die Advokatie und auch eine den verschiedenen Religionsgesell- 
schaften gegenüber nicht in gleicher Weise freigebige Advokatie dem Prinzip 
des Art. 15 nicht widerspricht, alle Normen des älteren Rechts, welche 
privilegierenden Inhalts sind, welche bezwecken, die Religions- 
gesellschaften oder einzelne von ihnen in besonderem Maße auszu- 
zeichnen, zu schützen und zu fördern. Ausgenommen hiervon sind 
nur die Privilegierungen einzelner Religionsgesellschaften in bezug auf 
Art und Maß der Kultusrechte, die Kultusprivilegien: diese sind, 
wie oben S. 214 f. dargelegt, durch Art. 12 aufgehoben, indem dieser
	        
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