318 Artikel 15. Derogatorische Wirkung des Artikels.
Artikel allen bestehenden und künftig sich bildenden Religionsgesell-
schaften das gleiche Maß „nffentlicher Religionsübung“ einräumt.
(Uber die Begrenzung des Begriffs „Kultusprivileg“ s. oben a. a. O.,
besonders S. 216, 217.)
Die den vorstehend unter II und III erörterten Kategorien an-
gehörigen Vorschriften des vorkonstitutionellen Rechts, z. B. des A#i,
stehen noch in Geltung, soweit sie nicht durch neuere Gesetze ab-
geändert oder aufgehoben worden sind.
Letzteres ist in betreff der Staatsaufsicht über die wichtigste Gruppe
der Religionsgesellschaften, die Landeskirchen, in umfassendem Maße ge-
schehen. Insbesondere hat das Gesetz über die evangelische Kirchenver-
fassung vom 3. Juni 1876 (GS 125) die Bedeutung einer Kodifikation,
welche an Stelle aller älteren Vorschriften über ihre Materie — das Auf-
sichtsrecht des Staates über die evangelische Landeskirche und ihre Gliede-
rungen — getreten ist (vgl. OVG# 20 419). Die gleiche Bedeutung wohnt
inne den Gesetzen über die Vermögensverwaltung in den katholischen
Kirchengemeinden vom 20. Juni 1875 (GS 241) und über die Aussichts-
rechte des Staates bei der Vermögensverwaltung in den katholischen
Diözesen vom 7. Juni 1876 (GS 149). Innerhalb des sachlichen Geltungs-
bereichs dieser Neuordnungen des ius inspiciendi ist also ein Zurück-
greisen auf ältere, vorkonstitutionelle Normen weder erforderlich, noch
zulässig und die Frage nach der derogatorischen Wirkung des Art. 15
insoweit praktisch gegenstandslos. Aber nur insoweit; sonst und im
übrigen — z. B. soweit es sich um allgememe, nicht speziell aussichts-
rechtliche Probleme handelt und in Sachen der nicht zu den Landes-
kirchen gehörigen Religionsgesellschaften — entbehrt jene Frage der
Bedeutung, auch der praktischen, keineswegs. —
Zur Illustration des bisher allgemein Bemerkten wird es zweck-
dienlich sein, den Umfang der derogatorischen Einwirkung des Art. 15
an einigen Beispielen zu erläutern, welche dem wichtigsten der ein-
schlägigen älteren Normenkomplexe, dem kirchenrechtlichen Titel, II 11,
des ALnR entnommen sind.
· A. Zunächst sei eine Reihe von Bestimmungen dieses Titels an-
geführt, welche jener Einwirkung unterlegen haben und demgemäß
aufgehoben oder abgeändert worden sind.
1. 5 13 II 11 AL#un lautet:
„Jede Kirchengesellschaft ist verpflichtet, ihren Mitgliedern
Ehrfurcht gegen die Gottheit, Gehorsam gegen die Gesetze, Treue
gegen den Staat und sittlich gute Gesinnungen gegen ihre
Mitbürger einzuflößen."