Full text: Die Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat. Erster Band: Einleitung. Die Titel. Vom Staatsgebiete und Von den Rechten der Preußen. (1)

326 Artikel 15. Sind die Konsistorialbeamten Kirchen- oder Staatsbeamte? 
Ein Akt der Gesetzgebung, kraft dessen die Konsistorialbeamten 
aus Staatsdienern in Kirchendiener verwandelt worden wären, ist 
nirgends auffindbar. Er ist insbesondere nicht, wie man vielsach ge- 
meint hat (s. die oben S. 323 angeführte Außerung von Hinschius), zu 
erblicken in dem Gesetz über die evangelische Kirchenverfassung vom 3. Juni 
1876. Die einschlägigen Art. 19 ff. dieses Gesetzes, deren Entstehungs- 
geschichte vom OVG# 22 47 ff. und von Niedner, Die Ausgaben des 
Staates für die evangelische Landeskirche (1904) 265 ff. Uargelegt worden 
ist, haben nur eine Neuregelung der Zuständigkeitsverhältnisse zwischen 
Staats- und Kirchenbehörden (im Sinne endlicher Durchführung der 
Trennung von staatlicher und kirchlicher Kompetenz, s. oben S. 309, 
310) bezweckt und bei dieser Gelegenheit die schon vorher bestehende 
und anerkannte (s. oben S. 310, 325) rechtliche Natur des Oberkirchen- 
rats und der Konsistorien als Kirchenbehörden („Organe der Kirchen- 
regierung“, Art. 21 des Gesetzes vom 3. Juni 1876) ausdrücklich bejaht. 
An der dienstrechtlichen Stellung der bei den genannten Kirchenbehörden 
tätigen Beamten hat das Gesetz vom 3. Juni 1876, wie die Entstehungs- 
geschichte beweist, nichts ändern wollen. Ein Antrag, im Gesetze aus- 
zusprechen, daß die fraglichen Beamten sernerhin nicht mehr Staatsbe- 
anmte seien, wurde bei der Beratung des Art. 21 des Gesetzes abgelehnt, 
nachdem die Staatsregierung ihm mit der schließlich ganz allgemein 
gebilligten Erklärung entgegengetreten war, daß die verlangte „Cnt- 
staatlichung“ zurzeit weder praktisch ausführbar, noch für die Beteiligten 
wünschenswert erscheine (OVeG# 22 49). Das Gesetz vom 3. Juni 1876 
spricht es aber nicht sowohl negativ als vielmehr auch positiv aus, daß die 
Konsistorialbeamten die unmittelbaren Staatsbeamten, die sie waren, 
bleiben sollen. Wenn es nämlich im Art. 23 Nr. 7 des Gesetzes heißt, 
es verbleibe dabei, daß die Anstellung der Mitglieder der kirchenregi- 
mentlichen Behörden (gemeint sind der Evangelische Oberkirchenrat und 
die Konsisiorien) unter Gegenzeichnung des Ministers der geist- 
lichen Angelegenheiten zu erfolgen habe, so ist damit (worauf 
Theinert, VArch 16 104 mit Recht hinweist) die Frage der Staats- 
beamteneigenschaft unzweideutig bejaht. Der Beamte ist im Zweifelsfalle 
Diener desjenigen Gemeinwesens, dessen Oberhaupt oder sonstiges Organ 
ihn anstellt (vgl. Meyer-Anschütz, StR § 144 und N. 1). Als Kirchen- 
beamte wären die Konsistorialbeamten dann anzusehen, wenn ange- 
nommen werden müßte, daß ihre Anstellung (wie bei den Superinten- 
denten, s. oben S. 322) vom König als Kirchen und nicht als Staats- 
oberhaupt ausgehe. Eben diese Annahme verbietet aber Art. 23 
Nr. 7. Die dort geforderte Gegenzeichnung des Kultusministers be-
	        
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