Full text: Die Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat. Erster Band: Einleitung. Die Titel. Vom Staatsgebiete und Von den Rechten der Preußen. (1)

Die zweite Verfassungskommission. Die Verordnung vom 17. Januar 1820. 15 
und zwar jede der drei Deputiertengruppen für sich, Abgeordnete zum 
Provinziallandtag, zu welchem außerdem Vertreter der größeren, kreis- 
freien Städte, sowie die Standesherren der Provinz und „die Bischöfe, 
wo sie sind“, gehören. Die Provinziallandtage wählen schließlich „jeder 
Stand aus seiner Mitte“, die „Deputierten zum Allgemeinen Landtag“. 
Die Zuständigkeit der Kreistage und Provinziallandtage soll eine be- 
schließende, jedoch rein kommunale, die des Allgemeinen Landtags eine 
staatliche sein und vorzugsweise in einer näher zu regelnden Mitwirkung 
bei der Gesetzgebung bestehen: alle Gesetzentwürfe des in der V. v. 
22. Mai 1815 bezeichneten Inhalts (s. o. 10) sind dem Allgemeinen 
Landtag vorzulegen; wie es gehalten werden soll, wenn dieser das 
Gesetz verwirft, „ist zu bestimmen". Außer den hierauf bezüglichen 
Vorschriften seien in die Verfassungsurkunde noch andere aufzunehmen: 
über „Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz; Gleichheit der 
christlichen Konfessionen und Duldung und Freiheit aller Religions- 
übungen“; „das Recht eines jeden, auf einen unparteiüschen richterlichen 
Urteilsspruch zu provozieren“; Unabhängigkeit der Gerichte, Petitions- 
recht (also Grund= und Freiheitsrechte, „Rechte der Preußen“), endlich 
über die Verantwortlichkeit der Minister und der übrigen Staatsbeamten. 
Die vorstehend wiedergegebenen „Ideen“ wurden im August 1819 
einer besonderen Kommission — einem Ausschuß der vor zwei Jahren 
eingesetzten Staatsratskommission (oben 11) — zur Beratung und näheren 
Ausgestaltung überwiesen, doch gelangte diese zweite Verfassungskommission 
so wenig ans Ziel wie jene erste. Sie beschloß (v. Treitschke 2 596), 
zunächst einen allgemeinen Plan über das Ganze der ständischen Ein- 
richtungen zu entwerfen und sodann, schrittweise aussteigend, die Ent- 
würfe der Kommunalordnung, der Kreis- und Provinzialordnung, 
schließlich der Staatsverfassungsurkunde aufzustellen. Zu einer Ausführung 
dieses Beschlusses kam es aber nicht. 
Hardenberg ließ sich dadurch nicht entmutigen. Er kämpfte allein — 
nach dem Rücktritt Humboldts, Boyens und Beymes, der einzigen 
Minister, welche damals, außer ihm selbst, die Verfassung emstlich 
wollten, allzu allein — weiter. Auf sein Anraten verhieß der König 
in der V. wegen Behandlung des Staatsschuldenwesens vom 17. Januar 
1820 (GS 9), die Verwaltung der bestehenden und künftigen Staats- 
schulden den „sReichsständen“ zu unterstellen. Die Aufnahme von Staats- 
anleihen solle „nur mit Zuziehung und unter Mitgarantie der künftigen 
reichsständischen Versammlung geschehen". Damit war die Einsetzung 
einer Volksvertretung, einer „reichsständischen Versammlung“, für den 
nächsten Fall der Inanspruchnahme des Staatskredits zu einer rechtlichen
	        
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