Artikel 16 als Garantie. 335
Unter den Anstalten, deren Besitz und Genuß den Religionsgesell-
schaften gewährleistet ist, hebt der Text außer den Kultus- und Wohl-
tätigkeits- noch die Unterrichtsanstalten hervor. Uber das Wesen
der hiermit vorausgesetzten und garantierten Unterrichtsfreiheit der
Religionsgesellschaften ist bereits in anderem Zusammenhange — pol.
bei Art. 12 S. 218, 219 gesprochen worden. Es ist hier wiederholt
darauf hinzuweisen, wie dieses Wesen bestimmt und begrenzt wird
einerseits durch den Begriff der Religionsfreiheit, andererseits durch das
Hoheitsrecht des Staates über die Schule. Durch den Sagz, daß die
Religionsgesellschaften im Besitz „der für ihre Unterrichtszwecke be-
stimmten Anstalten“ bleiben sollen, wollte den Religionsgesellschaften
nichts verliehen werden, was nicht schon in dem Begriffe der Religions-
freiheit liegt. Der Staat anerkennt das Unterrichtswesen der Religions-
gesellschaften, soweit es sich auf die Glaubensmeinungen, Sittenlehren,
Kultusvorschriften der betreffenden Religion bezieht; er gewährt durch
Art. 15 Unterrichtsfreiheit in keinem andern und weiteren Umfange
als durch Art. 12: die Unterrichtsfreiheit als Bestandteil der
Religionsfreiheit. Ein mehreres: das Recht der Religionsgesell-
schaften, Unterrichtsanstalten zu besitzen und zu errichten, deren Tätig-
keit sich nicht auf ihre Religion, sondern auf andere Dinge, ins-
besondere auf die Lehrgegenstände der öffentlichen Schulen erstreckt,
kann aus Art. 15 nicht hergeleitet werden. Die Kirche ist nicht befugt,
auf Grund dieses Artikels das Unterrichtswesen als Ganzes und im
allgemeinen in Anspruch zu nehmen. Der in Preußen vor und nach
der Verfassung geltende Grundsatz, daß das Unterrichtswesen nicht kirch-
liche, sondern staatliche Angelegenheit, die Schule Staatsanstalt ist (s. unten
bei Art. 23 S. 401 ff., 409ff.), ist durch Art. 15 weder aufgehoben noch ein-
geschränkt. Die gegenteilige Ansicht, welche bei der Beratung des Artikels
in der I. K. von dem Abgeordneten v. Gerlach (I. K. 1963) vertreten
wurde, wies der Kultusminister v. Ladenberg (s. das.) unverzüglich mit
der treffenden Ausführung zurück: „Diejenigen Anstalten, welche der
Artikel den Kirchen wahrt, sind ihre, die kirchlichen Unterrichts-
anstalten für kirchliche Zwecke. Die allgemeinen Unterrichts-
anstalten sind nicht darunter verstanden und können es auch nach dem
vielfach besprochenen Grundsatze (d. h. der Staatlichkeit des allge-
meinen“ Unterrichtswesens) nicht sein. Die Verfassungsurkunde hat in
diesem Artikel nur die Unterrichtsanstalten für kirchliche Zwecke be-
zeichnen wollen und können, weiter keine.“ Daß Art. 15 ein mit dem
staatlichen konkurrierendes kirchliches Unterrichtswesen hat zulassen wollen,
ist um so weniger anzunehmen, als, bei der Gleichstellung aller Reli-