Full text: Die Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat. Erster Band: Einleitung. Die Titel. Vom Staatsgebiete und Von den Rechten der Preußen. (1)

336 Artikel 15 als Garantie. 
gionsgesellschaften durch den Artikel, nicht nur den Kirchen im eigentlichen 
Sinne, sondern jeder christlichen oder nichtchristlichen Religionsgesellschaft 
das Recht eingeräumt werden müßte, Schulen nach Belieben zu er- 
richten — eine Folgerung, die schon wegen ihres Widerspruchs mit 
dem die preußische Gesetzgebung über das Privatunterrichtswesen be- 
herrschende Konzessionsprinzip (s. u. bei Art. 22 S. 393 ff.) absurd genug 
erscheint, um die Unrichtigkeit der Prämisse darzutun. 
Zu den kirchlichen Unterrichtsanstalten im Sinne des Art. 15 ge- 
hören namentlich die Priesterseminare und Konvikte der katholischen 
Kirche. Sie unterliegen der Staatsaufsicht nach Maßgabe der Gesetze 
vom 11. Mai 1873 (GS 191) und 21. Mai 1886 (GS 147), Art. 1—5. 
Andere als kirchliche Unterrichtsanstalten in dem hier erörterten 
Sinne, also Schulen zum Zwecke des Unterrichts in weltlichen Lehr- 
gegenständen, können die Religionsgesellschaften nur unter denselben Vor- 
aussetzungen errichten wie Privatpersonen, d. h. mit Staatsgenehmigung 
(s. unten bei Art. 22 S. 396). Besondere Beschränkungen gelten 
für die Unterrichts- und Erziehungstätigkeit der katholischen Orden und 
Kongregationen. Nachdem diese geistlichen Gesellschaften durch das 
Gesetz vom 31. Mai 1875 (GS 217) von dem Gebiete des preußischen 
Staates ausgeschlossen und ihre Niederlassungen aufgelöst worden waren, 
ist später — Gesetz vom 29. April 1887 (GS 127) — eine teilweise 
Wiederzulassung erfolgt, jedoch, was die mit dem Unterricht sich be- 
fassenden Gesellschaften betrifft, nur zugunsten derjenigen, „welche sich 
dem Unterrichte und der Erziehung der weiblichen Jugend in höheren 
Mädchenschulen und gleichartigen Erziehungsanstalten widmen“ (Gesetz 
vom 29. April 1887 Art. 5 § 1 zu c). Danach ist also die Errichtung 
und der Betrieb von Elementarschulen für beide Geschlechter und von 
höheren Knabenschulen durch Orden und Kongregationen gesetzlich ver- 
boten. — 
II. Der Satz „und bleibt“ garantiert nicht nur die „Rechte, welche 
die Kirche hat oder erwirbt“ (vorstehend zu 1), sondern noch mehr 
und etwas anderes. Er gewährleistet die Fortdauer der staat- 
lichen Kirchendotationen nicht nur, soweit diese Staatsleistungen 
Gegenstand subiektiver Rechte sind, sondern auch, soweit sie lediglich auf 
Verpflichtungen des Staates (einseitige Staatsverpflichtung oder Ver- 
pflichtung Dritten gegenüber) beruhen, denen auf der Empfängerseite 
ein subjektiver Rechtsanspruch nicht korrespondiert. In diesem Sinne 
ist der Satz der „Erläuterungen“ — oben S. 332 — zu verstehen, 
welcher die Fortzahlung der Dotationen als Forderung der Gerechtig- 
keit bezeichnet. Die Fortzahlung wird garantiert, „weil jene Leistungen
	        
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