Full text: Die Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat. Erster Band: Einleitung. Die Titel. Vom Staatsgebiete und Von den Rechten der Preußen. (1)

Artikel 18. Aufrechterhaltung der Zirkumstriptionsbullen. 355 
freien kirchenregimentlichen Verleihung unterlegen haben, werden 
dergestalt besetzt, daß die Kirchenbehörde in dem einen Erledigungs- 
falle mit, in dem anderen ohne Konkurrenz einer Gemeindewahl 
den Pfarrer beruft. Die Wahl erfolgt durch den Gemeinde-Kicchen- 
rat in Gemeinschaft mit der Gemeindevertretung . 
Der hier erörterte Vorbehalt des Art. 18 ist sonach für die Pfarr- 
stellen der evangelischen Landeskirche (Näheres und über die Rechts- 
verhältnisse in den neuen Provinzen s. bei Schoen, Evangelisches Kirchen- 
recht 2 8 56, 57) ohne Bedeutung. 
2. Unberührt bleiben die staatlichen Ernennungs= usw. Rechte, 
soweit sie auf besonderen Rechtstiteln beruhen. Besondere Rechts- 
titel in diesem Sinne sind nach der Entstehungsgeschichte (s. oben S. 351) 
vor allem die zwischen dem Staat und dem päßpstlichen Stuhle ge- 
troffenen Vereinbarungen, worin dem ersteren ein irgendwie gearteter 
Einfluß auf die Besetzung kirchlicher Stellen, insbesondere der bischöflichen 
Stühle und der Kapitelsstellen vorbehalten bzw. eingeräumt wird. 
Hierher gehören namentlich die einschlägigen Bestimmungen der auf 
Grund von Vereinbarungen zwischen Staat und Kirche zustande- 
gekommenen Zirkumstriptionsbullen und der zu ihrer Ausführung und 
Ergänzung vom Papfste erlassenen Breven: 
a. für die alten Provinzen: die Bulle de salute animarum vom 
16. Juli (23. August) 1821 (G 114), Vorschriften enthaltend über 
die Besetzung der Kapitelsstellen an den Kathedralen und dem Kollegiat- 
stift zu Aachen [die Propstei und die in den Monaten Januar, März, 
Mai, Juli, September und November frei werdenden Kanonikate 
besetzt der Papst auf Grund königlicher Nomination, die anderen 
Kapitelsstellen der Bischof; s. Hinschius, Katholisches Kirchenrecht 2 696 f.) 
und das einen integrierenden Teil dieser Bulle bildende, gleich ihr auf 
Vereinbarung beruhende Breve Quod de tidelium vom 16. Juli 1821 
(in der GS nicht publiziert), worin die Domkapitel angewiesen werden, 
sich vor der Bischofswahl darüber Gewißheit zu verschaffen, daß die 
zur Wahl zu stellenden Personen dem Könige nicht minder genehm 
sind, — also der Staatsregierung ein absolutes Veto gegen personae 
minus gratae beigelegt wird (Hinschius a. a. O. 685 ff. und preußisches 
Kirchenrecht 469, Stutz, Der neueste Stand des deutschen Bischofswahl- 
rechts (1909) 46 ff., 137ffl.); 
b. für die der oberrheinischen Kirchenprovinz angehörenden Landes- 
teile: die Bullen Provida sollersque und Ad dominici gregis sowie 
das zu letzterem gehörige Interpretativbreve Ke sacra (s. Hinschius, 
Katholisches Kirchenrecht 2 683 ff., 696, Stutz a. a. O. 51, 169, 170)) 
23°
	        
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